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Haus aus Erde

Haus aus Erde

Titel: Haus aus Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woody Guthriie
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Tike?«, fragte Blanche. Sie ging zur Waschbank, zum Herd, zum Schrank und zu ihrem Koffer, dann füllte sie zwei große Eimer und einen Teekessel mit Wasser und stellte sie zum Erhitzen auf die Kochplatten. »Eine, die dafür sorgt, dass Sie mir wenigstens für ein paar Minuten aus den Füßen gehen?«
    »Ich wünschte, ich würd dir mal unter die Füße kommen. Tu ich aber nich.«
    »Möchten Sie eine Aufgabe? Ja oder nein?«
    »Ja.«
    »Ziehen Sie Ihren Mantel und Ihre Handschuhe an, gehen Sie hinaus und holen Sie sich die Schaufel an der Hauswand, dann gehen Sie hinter den Kuhstall und graben ein Loch.«
    »Ein Loch.« Tike stand einen Moment da. »Was für n Loch?«
    »Einfach ein Loch. Oh. Ungefähr so groß wie ein Waschzuber. So tief.« Blanche bewegte sich schnell und geschmeidig im Zimmer umher. Tike verfolgte jeden ihrer Schritte. Er beobachtete sie, als wäre sie eine Art Maschine.
    »Was willste denn damit? Sie begraben?« Halb lächelnd, halb ängstlich durchquerte er das Zimmer.
    Ella May lag auf dem Bett und sah sich bereits in ihrem Erdhaus. Sie hatte nicht gehört, was gesagt worden war. Wie ein Baby stöhnte und seufzte sie zu ihrem eigenen Vergnügen vor sich hin.
    »Scht.« Blanche nahm Tikes dickes Hemd vom Nagel und hielt es ihm hin, damit er hineinschlüpfen konnte. »Scht. Nur ein kleines Loch, groß genug, um die Nachgeburt zu verscharren, das ist alles. Hier. Hier ist Ihr Mantel. Ich weiß, es ist kalt da draußen im Schneesturm, aber wir müssen sie loswerden, wir können sie nirgends liegen lassen, weil die Tiere sie riechen und sich daran vergreifen werden.«
    Damit Ella May nichts mitbekam, ging Tike hinaus und fluchte: »Ich kann nur sagen, bei Gott, verdamm mich zur Hölle, das is genau der richtige Zeitpunkt, mich wegen nem miesen kleinen Eimer Wasser in diesen verdammten blauen Blizzard rauszuschicken.« Er schlug die Tür so fest zu, dass das ganze Haus erbebte, und ging mit der Schaufel hinter den Kuhstall.
    Ella May und Blanche hörten den dumpfen Klang der Schaufel, mit der er auf den festgefrorenen Mutterboden einhieb. In Ellas Ohren hörte es sich nicht wie eine Schaufel an, sondern wie der Klang von Glocken, von Glocken mit tausend Tönen, und die Glocken hatten Zungen und sangen aus ihren Mündern. Sie sah die Glocken, die mit ihrem Geläut das Zimmer füllten, über die ganzen Plains verteilt. Sie spürte, wie das Baby sich senkte, sich ein winziges Stück weiter nach unten bewegte, sich von Neuem senkte und weiter nach unten schob. Sie wollte nicht, dass Tike oder Blanche die Schmerzen bemerkten. Um den stechenden Schmerz zu überspielen, der oberhalb ihrer linken Brust brannte, lächelte und lachte sie. Tike, hinter dem Kuhstall im Schneesturm, hatte nicht die leiseste Ahnung, das das Klirren seiner Schaufel bis ins Zimmer drang. In ihrer Vorstellung vermengte Ella den Klang der Schaufel mit dem Kurbelgeräusch der Zentrifuge und dem Scheppern der Milcheimer. Als ihre Träume vorüberwirbelten, schloss sie lächelnd die Augen und sprach im Flüsterton.
    Blanche verstand zwar ein paar Worte, aber nicht genug, um ihnen einen Sinn abzugewinnen. Sie hantierte mit ihren Tüchern, alten Lumpen und Zeitungen, befestigte zwei Gummiunterlagen am Kopfende des Bettes und redete mit Ella, als wäre ihr jeder Schmerz, jedes Lächeln, jeder Gedanke völlig vertraut. Alle vier Kohlenölbrenner auf dem Herd waren angezündet und verströmten ein weißliches, rötliches, lilanes Licht durch die Glaskeramikscheiben. Die Dämpfe von den gerade angezündeten Brennern vermischten sich mit dem Dunst des heißen Wassers in den Eimern, und Blanche spürte ein Stechen in der Nase. Sie runzelte die Stirn, während sie arbeitete, und betete, dass die Dämpfe Ella Mays Zustand nicht noch verschlimmerten. Der heiße Ölruß in der Luft wurde schwerer und setzte sich auf die Spinnweben in den Zimmerecken, wo der Wind am leichtesten hingelangte. Und Blanche arbeitete mit einem schweren Gewicht in ihrem Körper, einem Gewicht, das immer schwerer wurde, je länger sie sich umsah in diesem Haus der Fäulnis. Sie leckte sich über die Lippen, dann schluckte sie den Speichel hinunter und schmeckte das saure Brennen des Winterstaubs und der Öldämpfe.
    Auch Ella May schmeckte den giftigen Staub, und sie fragte: »Wo kommen all die Kuhglocken her?«
    Blanche spitzte die Ohren in Tikes Richtung. Sie machte sich am Herd zu schaffen, berührte einen Topf, bückte sich, um durch die Scheibe eines der Brenner zu

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