Haus der Angst
Fluss trinken.
Der Jeep kam näher. „Ruhig“, sagte Sebastian zu seinem Pferd, obwohl es nicht nervös wirkte. Es war noch nicht einmal verschwitzt.
Gut fünf Meter entfernt hielt der Jeep an, und ein Mann sprang heraus. „Mr. Redwing?“
Sebastian verzog das Gesicht. Es hatte nie etwas Gutes zu bedeuten, wenn jemand ihn Mr. Redwing nannte. Mal abgesehen davon war es überhaupt kein gutes Zeichen, von einem Jeep verfolgt zu werden.
Er zog den Hut über die Augen und stützte sich auf seine Ellbogen. „Was gibt’s?“
„Mr. Redwing“, wiederholte der Mann. „Ich bin Jim Charger. Mr. Rabedeneira hat mich geschickt, um Sie zu suchen.“
„Und?“
Charger sagte nichts. Er war ein neuer Angestellter und wartete wohl darauf, dass Sebastian sich so benahm wie der Mann, der die Firma Redwing gegründet hatte, eines der besten international tätigen Sicherheits- und Ermittlungsunternehmen. Doch er behielt den Hut in der Stirn, um sich nicht der Sommersonne von Wyoming aussetzen zu müssen.
Schließlich seufzte er. Jim Charger würde nicht eher verschwinden, bis er seine Nachricht überbracht hatte. Sebastian mochte Plato Rabedeneira.
Sie waren Freunde geworden, als sie beide Anfang zwanzig waren. Er hätte Plato sein Leben anvertraut und das Leben seiner Freunde. Aber wenn Plato der zweite Mann im Jeep gewesen wäre, hätte Sebastian ihn an eine Pappel gebunden und wäre gegangen.
„Nun gut, Mr. Charger.“ Er schob den Hut zurück und musterte den Mann, der vor ihm stand. Groß, blond, durchtrainiert, in teure Western-Klamotten gekleidet, die jetzt bestimmt so staubig waren wie noch nie zuvor. Ein Import aus Washington. Vermutlich ein Ex-FBI-Agent. Sebastian spürte das Blut in seinen Schläfen pochen. „Was ist passiert?“
Wenn Sebastian Redwing nicht den Erwartungen von Jim Charger entsprach, so ließ er es sich nicht anmerken. „Mr. Rabedeneira hat mich gebeten, Ihnen eine Nachricht zu übermitteln. Ich soll Ihnen ausrichten, dass Darren Mowery zurückgekommen ist.“
Sebastian bemühte sich, keine verräterische Reaktion zu zeigen. Doch das Blut in seinen Schläfen klopfte noch heftiger. Vor einem Jahr hatte er Mowery für tot gehalten. „Wohin zurückgekommen?“
„Nach Washington.“
„Und was soll ich jetzt nach Platos Ansicht tun?“
„Keine Ahnung. Er hat mich nur gebeten, Ihnen das mitzuteilen. Und ich soll Ihnen auch noch sagen, dass es wichtig ist.“
Darren Mowery hasste Sebastian mehr, als es die meisten seiner Feinde taten. Vor Jahren hätte Sebastian auch Mowery sein Leben anvertraut – und das seiner Freunde. Aber das war nun vorbei.
„Und noch etwas“, fuhr Charger fort.
Sebastian lächelte schwach. „Jetzt kommt wohl der Teil, den Sie mir laut Plato sagen sollen, wenn ich nicht sofort zu Ihnen in den Jeep springe, was?“
Keine Reaktion. „Mowery hat eine Frau im Büro von Senator Swift kontaktiert.“
Jack Swift, derzeit dienstältester Senator aus dem Bundesstaat Rhode Island. Ein Gentleman-Politiker, ein Mann von Integrität, der sich voll und ganz seinem öffentlichen Amt widmete. Und er war der Schwiegervater von Lucy Blacker Swift.
Verdammt, dachte Sebastian.
Auf der Hochzeitsfeier von Lucy Blacker und Colin Swift hatte Colin Sebastian das Versprechen abgerungen, sich um Lucy zu kümmern, falls ihm irgendetwas passieren würde. „Nicht, dass Lucy gern jemanden hätte, der auf sie Acht gibt“, hatte Colin hinzugefügt. „Aber du verstehst schon, was ich meine.“
Sebastian hatte es allerdings nicht wirklich verstanden. In seinem Leben gab es niemanden, um den er sich kümmern musste. Seine Eltern waren tot. Er hatte keine Geschwister, keine Frau, keine Kinder. Beruflich gesehen war er allerdings verdammt gut, wenn es darum ging, jemanden zu beschützen. Meistens musste er dafür sorgen, dass die Betroffenen am Leben blieben und nicht bestohlen wurden. Aber das hatte nichts mit Freundschaft zu tun und einem Versprechen, das er einem Mann gegeben hatte, der dreizehn Jahre später im Alter von sechsunddreißig Jahren gestorben war.
Colin musste es geahnt haben. Irgendwie hatte er wohl gespürt, dass sein Leben nicht lange dauern würde und dass seine Frau und die Kinder, wenn er welche haben sollte, ohne ihn würden auskommen müssen.
Als Sebastian ihm das Versprechen gab, hatte er nicht im Traum daran gedacht, dass er es jemals würde einlösen müssen.
„Was soll ich Mr. Rabedeneira sagen?“ fragte Charger jetzt.
Sebastian zog den Hut wieder in die
Weitere Kostenlose Bücher