Haus der Angst
wissen, ob du Hilfe brauchst oder nicht.“
„Und wenn ich nur große Töne spucke? Wenn ich bluffe? Wenn ich bloß zu stolz bin, um …“
„Um was?“
Sie ballte die Hände zu Fäusten und widerstand dem Drang, etwas zu zerschlagen. „Plato hat gelogen, als er sagte, dass du ein Forschungssemester machst, oder? Ich wette, Madison ist der Wahrheit näher gekommen, als sie denkt.“
„Lucy, wenn ich den Wunsch hätte, dir etwas über mein Leben zu erzählen, dann würde ich dir eine Weihnachtskarte schicken.“ Er griff nach seinem Hut und streckte sich in der Hängematte aus. „Hast du jemals eine Weihnachtskarte von mir bekommen?“
„Nein, und ich hoffe auch, dass ich niemals eine kriege.“
Sie drehte sich so schnell um, dass ihr das Blut aus dem Kopf wich. Sie schwankte und versuchte, ihr Gleichgewicht wiederzufinden. Nie würde sie es sich verzeihen, wenn sie jetzt schlapp machte. Der Mistkerl würde ihr einen Krug Brunnenwasser über den Kopf schütten, sie auf ein Pferd binden und fortschicken.
„Tut mir Leid, Lucy. Die Dinge ändern sich eben.“ Sie hätte nicht sagen können, ob er milder gestimmt war. Aber möglich war es schon. „Ich nehme an, du weißt das besser als die meisten von uns.“
Sie wandte sich noch einmal zu ihm um und holte tief Luft. Ihre Selbstkontrolle schien sie wiedergefunden zu haben. Sie war wütend auf sich selbst, weil sie hierher gefahren war – und sie war wütend auf Plato, denn er hätte wissen müssen, welchen Empfang man ihr bereiten würde. Sie hasste es, wenn sie sich nicht auf vertrautem Terrain bewegen konnte. „Das wär’s dann also, ja? Du wirst mir nicht helfen?“
Er lächelte sie kurz an und zog dann seinen Hut wieder ins Gesicht. „Wen nimmst du hier eigentlich auf den Arm, Lucy? Du hast doch noch nie die Hilfe von anderen Leuten gebraucht.“
Plato schaute erst früh am nächsten Morgen nach Sebastian. Sehr früh. Der Horizont war vom Morgenrot gefärbt. Sebastian hatte sich um die Pferde und die Hunde gekümmert und lag wieder in seiner Hängematte, als Plato mit seinem Truck vorfuhr. Wenig später polterte er mit seinem ungleichmäßigen, humpelnden Gang auf die Veranda. Den hatte er nun schon seit fast zwei Jahren. Das Hinken würde er sein Leben lang behalten.
„Du hast Lucy weggeschickt?“
Sebastian schob den Hut von seinen Augen. „Genau wie du.“
„Sie ist nicht hierher gekommen, um mich um Hilfe zu bitten. Sondern dich.“
„Sie hasst mich, das weißt du doch.“
Plato grinste. „Natürlich hasst sie dich. Du bist ein Esel und ein Verlierer.“
Sebastian war nicht beleidigt. Plato hatte immer schon laut gesagt, was andere nur dachten.
„Ihr Kind hat mir meine Veranda voll geblutet. Wie kann ich einen Zwölfjährigen vor Nasenbluten schützen? Die Tochter ist eine vorlaute Göre. Sie hat mich mit Clint Eastwood verglichen.“
„Eastwood? Ne. Er ist älter und sieht auch viel besser aus als du.“ Plato lachte. „Ich nehme an, Lucy und ihre Kinder können von Glück sagen, dass du nichts mehr mit gewalttätigen Aktionen zu tun haben willst.“
„Wir können alle von Glück sagen.“
Es entstand ein langes Schweigen.
Sebastian spürte einen stechenden Schmerz in seiner unteren Rückenpartie. Er hatte in der Hängematte geschlafen. Keine gute Idee.
„Du hast es ihr nicht erzählt, oder?“ fragte Plato.
„Was erzählt?“
„Dass du nicht mehr im Geschäft bist.“
„Geht sie doch nichts an. Dich übrigens auch nicht.“
Plato ließ sich nicht anmerken, ob ihn die barschen Antworten ärgerten. „Darren Mowery ist hinter ihrem Schwiegervater her.“
„Halt’s Maul, Rabedeneira. Du krähst mir ins Ohr wie ein verdammter Hahn.“
Plato trat einen Schritt näher. „Es geht um Lucy, Sebastian.“
Er ließ sich aus der Hängematte rollen. Das war es, woran er die ganze Nacht hatte denken müssen. Es ging um Lucy. Lucy Swift, geborene Blacker, mit den großen braunen Augen und dem breiten Lächeln und dem schnellen Mundwerk. Lucy, Colins Witwe.
„Sie sollte zur Polizei gehen“, meinte Sebastian.
„Das kann sie nicht, jedenfalls nicht mit dem, was ihr bisher passiert ist. Jack Swift würde sich auf sie stürzen. Der Sicherheitsdienst vom Capitol würde ein Ermittlungsteam schicken. Die Zeitungen würden alles auswalzen.“ Plato verstummte und seufzte. „So weit willst du es doch wohl nicht kommen lassen, oder?“
„Plato, ich wünschte, du würdest immer noch aus Hubschraubern springen und Leute
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