Haus der Angst
konnte, an die Fledermaus zu denken, wenn sie sie in Lucys Haus gebracht hatte. Sie sollte sie finden, sich fragen, wer es gewesen sein mochte, und vor Entsetzen schreien. Aber was wäre, wenn Lucy sie durch ihr Fernglas entdeckte?
Im Handumdrehen dachte sie sich eine überzeugende Geschichte aus.
Lucy! Jetzt haben Sie mich aber erwischt. Jack hat mich hergeschickt, um ein Haus für ihn für August zu mieten, und ich konnte der Versuchung einfach nicht widerstehen, Sie und die Kinder zu besuchen. Ich dachte, ich hätte ein Geräusch gehört, aber es war niemand im Haus.
Hätte sie bis dahin die Fledermaus schon irgendwo versteckt, dann hätte sie behaupten können, den Eindringling gehört zu haben. Und wenn nicht, wer hätte ihr dann schon Fragen wegen ihrer Brottüte gestellt?
Aber Lucy hatte sie nicht erwischt.
Stattdessen hatte sie die tote Fledermaus gefunden und geschrien.
Während sie im Wald auf der Lauer lag, hatte sie sie gehört und eine fast körperliche Befriedigung empfunden. Dann war sie zu ihrem Wagen zurückgeeilt. Sie hatte sieben weitere Moskitostiche davongetragen. Sieben weitere Tapferkeitsmedaillen.
Barbara und Madison kamen an einer mächtigen Schierlingstanne vorbei, deren Wurzeln sich wie ein dickes Spinnennetz über die Erde ausgebreitet hatten. Das Mädchen sprang den schmalen Pfad entlang, drehte sich zu Barbara um und bedeutete ihr mit einer Handbewegung, ihr zu folgen. „Hier entlang“, sagte sie. „Wir sind gleich da.“
Ja, dachte Barbara. Solche Risiken musste man eben auf sich nehmen, und sie hatte den Mut, es zu tun. Denn Colins Kinder – Jacks Enkel – verdienten zweifellos ein besseres Leben.
Jack Swift setzte sich an einen ruhigen Tisch in seinem Lieblingsrestaurant. Die vergangenen Tage waren eine Qual gewesen. Er hatte Sidney Greenburg nicht gefragt, ob sie mit ihm zu Mittag essen wollte. Am Abend zuvor hatten sie eine Auseinandersetzung gehabt, als sie merkte, dass etwas nicht stimmte, er jedoch darauf bestanden hatte, dass alles in Ordnung war. Nun wollte er nur noch einen Martini, einige frische Krebse aus Maryland, einen knackigen Salat und die einladende Gemütlichkeit eines Restaurants, in dem die traditionelle Küche gepflegt und kein übertriebenes Theater ums Essen gemacht wurde.
Er wusste, dass er sozusagen am Abgrund stand und jeden Moment hinunterstürzen konnte. Erpressung. Um Himmels willen!
Er dachte an Colin. Sein einziger Sohn, sein einziges Kind. Hatte er etwa zu der Sorte Männer gehört, die ihre Frauen betrügen? Jack war dieser Gedanke niemals gekommen, aber wer wusste schon, was zwischen zwei Menschen passierte? Außerdem spielte die Wahrheit ohnehin keine Rolle. Er wollte überhaupt keinen „Beweis“ sehen. Er wollte nur einen Schlussstrich unter diese schmutzige Geschichte ziehen.
„Senator Swift.“ Darren Mowery begrüßte ihn mit einem übertriebenen, falschen Lächeln. „Was für eine Überraschung, Sie hier zu sehen.“
Durch langjährige Erfahrung geschult, wusste Jack, wie er sich in der Öffentlichkeit zu verhalten hatte. Deshalb brachte er ebenfalls ein Lächeln zu Stande, auch wenn sich dabei jeder Muskel seines Körpers schmerzhaft zu verkrampfen schien. „Mr. Mowery.“
„Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich zu Ihnen setze?“
In dem Restaurant verkehrten viele Reporter und ältere Kongressmitarbeiter, und alle waren immer auf frischen Klatsch scharf. Jack sah keine Möglichkeit für einen geordneten Rückzug. Darren hatte es gewusst, als er das Lokal betrat. Jack spürte, wie sein Lächeln erstarb. „Bitte sehr.“
Mowery ließ sich auf die rote Lederbank auf der anderen Seite des Tisches fallen. „Haben Sie die Krebse bestellt?“
Jack nickte. Mit seiner Bemerkung wollte Mowery ganz offensichtlich beweisen, dass er die Gewohnheiten, Vorlieben und Abneigungen des Senators kannte und dass die vermeintlichen Informationen über Colin nur der Anfang waren. Genau das hatte Jack befürchtet – beziehungsweise gewusst –, als er zehntausend Dollar auf das Konto überwies, das Mowery ihm genannt hatte.
„Ich habe getan, was Sie wollten“, sagte Jack leise. „Zweifellos. Und dazu äußerst prompt. Ich weiß das zu schätzen.“
Der Kellner kam an ihren Tisch. Darren bestellte ein Bier. Er habe keine Zeit zum Essen, behauptete er. Jack spürte keine Erleichterung.
„Hier habe ich eine Adresse und ein Passwort.“ Mit einem Finger schob Mowery eine Geschäftskarte über den Tisch. „Damit bekommen Sie Zugang
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