Haus der Angst
hatte sie locker zurückgekämmt und mit einem roten Halstuch zusammengebunden. Madison hatte es gefallen und gesagt, es sähe „ultra“ aus. Lucy hatte keine Ahnung, was das bedeutete.
„Ich hasse das alles“, sagte sie.
Sebastian gab keine Antwort.
„Wenn deine Leute im Haus sind, kann ich genauso gut den Sicherheitsdienst vom Capitol um Hilfe bitten, und das wär’s dann. Mir ist es egal, wie diskret deine Jungs sind, Sebastian. Man wird sie bemerken. Das weißt du ganz genau. Es gibt hier nicht viele Typen, die keinen Hals haben und mit Ohrstöpseln durch den Wald laufen.“
„Heißt das Nein?“
Sie wich seiner Frage aus. Aber war sie nicht überhaupt deshalb zu ihm gefahren? Damit er ihr sagen konnte, was er davon hielt. Sie wusste nicht, was sie von verrückten Spionen und Sicherheitsleuten, die diese Spione ausspionierten, halten sollte.
Sie wollte die Garage verlassen, aber am Eingang drehte sie sich noch einmal zu ihm um. „Welchen Weg hat Madison denn genommen?“
„Den, der am Fluss entlangführt.“
„Ich werde sie abfangen. Und dann kann sie mal sehen, was es für eine Arbeit ist, ein Kajak mit einer Zahnbürste sauber zu machen.“
Sebastian grinste. „Gut. Ich habe nämlich schon befürchtet, dass du zu nachsichtig mit den Kindern bist.“
„Wenn ich deinen pädagogischen Sachverstand benötige, dann frag ich dich, Redwing.“
„Das hast du doch schon getan, wenn ich mich richtig erinnere.“
„Und wenn
ich
mich richtig erinnere, hast du mich fortgeschickt. Außerdem habe ich dich nicht um deine Meinung bezüglich meiner erzieherischen Fähigkeiten gefragt.“
Er war in den vorderen Teil der Garage zurückgegangen, blieb aber im Schatten. Da sie im gleißenden Sonnenlicht stand, konnte sie seine Augen nicht erkennen. Sein Gesichtsausdruck war ernst, und sie fragte sich, ob er jemals wirklich lachte. „Nein“, sagte er. „Es ging um die Frage, wer eine tote Fledermaus in dein Bett legen könnte.“
Sie presste die Lippen zusammen. Irgendwie beunruhigte die tote Fledermaus sie mehr als das Loch in der Wand, das die Pistolenkugel hinterlassen hatte.
„Sie ist keines natürlichen Todes gestorben“, fügte Sebastian hinzu.
„Was für eine Überraschung.“
„Lucy …“
Sie sah ihm ins Gesicht. „Keine Sicherheitsleute oder Leibwächter.“
„Ich kann nicht überall gleichzeitig sein.“
Sie nickte. „Ich weiß. Ich will noch mal darüber nachdenken. Lass mir …“ Sie blinzelte, um einen beginnenden Kopfschmerz abzuwehren. „Lass mich erst meine Tochter finden.“
„Bleib bei J. T. und seinem Freund. Ich sorge dafür, dass Madison heil zurückkommt.“
„Im Grunde ist sie ein braves Mädchen, Sebastian. Sie ist gerade fünfzehn …“
Aber er war schon verschwunden, und Lucy ging zurück zum Gemüsegarten, wo J. T. und Georgie eifrig das Unkraut zwischen den Bohnensträuchern zupften. Als sie sie erblickten, arbeiteten sie schneller. Die Kürbisse hatten sie nicht angerührt. Sie ging zu dem aufgeschütteten Hügel und begann ebenfalls, Unkraut auszurupfen, und zwar vor allem die großen, wild wuchernden Pflanzen. Sie riss die Wurzeln heraus, schüttelte die Erde ab und warf die Pflanze auf einen Haufen. Eine nach der anderen. Sie arbeitete automatisch, ohne nachzudenken.
„Mensch, Mama“, sagte J. T.
Sie verlangsamte ihr Tempo nicht, als sie sprach. „Ich bin sauer auf Madison. Geh mir lieber aus dem Weg.“
Das musste sie ihm nicht zweimal sagen. „Komm, Georgie, wir gehen zum Fluss hinunter …“
„Nein!“ Lucy drehte sich zu den Jungen herum. Sie hielt ein Unkraut mit langen Wurzeln in der Hand. „Jetzt nicht. Geht in die Küche und holt euch etwas zu trinken. Ich habe euch Eis am Stiel gekauft.“
„Welche Sorte?“ fragte Georgie zweifelnd. „Meine Mom kauft immer das Fruchteis. Es schmeckt scheußlich.“
Lucy musste lächeln. „Ich habe diese dicken, ekelhaften Dinger mit Zucker und künstlichen Farben gekauft.“
Er lachte und klatschte in die Hände. „Okay, J. T., gehen wir.“
Kurze Zeit später sah sie Madison vom Fluss zurückkommen. Sie bog um die Scheune und schien keine Ahnung von dem Donnerwetter zu haben, das gleich über ihr ausbrechen würde. Lucy hörte mit dem Unkrautzupfen auf und atmete dreimal tief durch, um für die Auseinandersetzung mit ihrer Tochter gewappnet zu sein.
Eine leichte Brise bewegte die warme Luft. Der Sommernachmittag war vollkommen, und das Gras unter ihren Füßen war weich. Sie wollte jede
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