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Haus der Angst

Haus der Angst

Titel: Haus der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Neggers
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Wer hier schwamm, musste nicht befürchten, von der Strömung erfasst und gegen einen Felsen geschleudert zu werden. Ein typisch „Vermonter Swimmingpool“. Darunter fand der Fluss zu seiner alten Gestalt zurück und floss gemächlich an der Wheaton-Farm vorbei.
    Sebastian riss sich zusammen. Jetzt gehörte sie Lucy.
    Vorsichtig kletterte er über das Wurzelwerk einer dürren Schierlingstanne, das zur Hälfte über den Wasserfällen hing, und blickte hinunter. Er stellte sich vor, wie sein Großvater vor sechzig Jahren hier gestanden hatte. Nach der Schneeschmelze war der Fluss vermutlich angestiegen und zu einem reißenden Wildbach geworden. Ob Joshua Wheaton die Gewalt und Schönheit des tosenden Wasserfalls überhaupt wahrgenommen hatte? War er überhaupt für so etwas empfänglich gewesen?
    Sebastian erinnerte sich, dass er genauso mutig und heldenhaft wie sein Großvater hatte werden wollen. Jetzt fragte er sich, ob Joshuas Sprung in das reißende Wasser eine Kurzschlusshandlung gewesen war – eine Panikreaktion, die von vornherein zum Scheitern verurteilt war, von der Joshua sich aber dennoch nicht hatte abhalten lassen, weil er keine andere Möglichkeit sah, wenn er sich später keine Vorwürfe machen wollte.
    Ein Geräusch …
    Felsbrocken und Sand waren in Bewegung geraten. Sebastian reagierte instinktiv, wusste jedoch bereits, dass es zu spät war. Er war in Gedanken gewesen. Jetzt blieb ihm keine Zeit mehr, lange zu überlegen, wie er sich verhalten sollte. Steine und Erdklumpen stürzten von der steil aufragenden Felswand auf den schmalen Felsvorsprung, auf dem er stand. Der bot nicht genug Platz, um der Lawine auszuweichen.
    Er klammerte sich an der Schierlingstanne fest, aber ein Stein, so groß wie ein Tennisball, traf seine Kniekehle. Er glaubte, über sich ein befriedigtes Murmeln und heftige Atemzüge zu hören. In dem Moment traf ihn ein weiterer Stein im Kreuz und ließ ihn das Gleichgewicht verlieren.
    Sein Körper taumelte vorwärts, und für einen endlosen Zeitraum schien er in der Luft zu hängen. Plötzlich war er selbst der Großvater, den er nie kennen gelernt hatte, und kurz davor, in den sicheren Tod zu stürzen.
    Was für ein unehrenhafter Tod, überlegte Sebastian blitzschnell. Den Halt zu verlieren, während die Gedanken ganz woanders waren.
    Jetzt kamen ihm seine Ausbildung und seine Erfahrungen zugute. Er vertrieb alle unnötigen Gedanken aus seinem Kopf und konzentrierte sich auf das Wesentliche. Er drückte das Kinn an die Brust, um seinen Kopf zu schützen und um den Sturz mit seinen Schultern und seinem Gesäß abzufedern. Er prallte gegen Stein, stürzte tiefer, schlug noch einmal auf einen Felsen und landete im Wasser.
    Mit weit ausgebreiteten Armen und Beinen tauchte er in die Tiefe und spürte einen stechenden Schmerz. Das Wasser war eiskalt. Er dachte an Plato, der mit solchen Dingen sein Geld verdiente und der bestimmt ein paar passende Bemerkungen für ihn auf Lager hatte, falls er überleben sollte.
    Sein Gewicht, durch die Wucht des Sturzes noch größer geworden, zog ihn nach unten. Er versuchte, kein Wasser zu schlucken. Er rutschte über den kiesbedeckten Grund und schürfte sich Gesicht und Knie auf. Schließlich kam er auf seinen Füßen zu stehen, stieß sich ab und schoss an die Wasseroberfläche. Keuchend atmete er die kühle Luft ein.
    Die Lawine aus kleinen Steinen, Tannennadeln und schwarzer Erde prasselte ins Wasser. Sebastian wartete nicht, bis er von einem weiteren Felsbrocken getroffen wurde. Unter höllischen Schmerzen durchquerte er, so schnell er konnte, das Becken und erreichte die andere Seite. Er tastete sich an der steil aufragenden Wand entlang, die ihm die Sicht auf die weiteren Fälle versperrte. Ganz in seiner Nähe rauschte das Wasser über die nächste Stufe. Schließlich gelang es ihm, sich auf die Felsplatte zu hieven. Sein Gesicht war blutüberströmt, und vor seinen Augen drehte sich alles. Unmittelbar neben ihm stürzte das Wasser neun Meter tief in das darunter liegende Becken.
    Wäre das Wasser tiefer und die Strömung stärker gewesen, hätte es ihn sofort mit in den Abgrund gerissen. Stattdessen lag er auf der Felsplatte in dem Bassin, die vom Wasser glatt poliert und ebenmäßig geformt war. Er spürte, wie seine Sinne schwanden. Er konnte nichts dagegen tun.
    Großvater.
    Er wurde ohnmächtig, und Dunkelheit umfing ihn.
    Seine Ohnmacht hatte nur ein paar Sekunden gedauert. Aber das war lange genug. Als er seine Schultern ein

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