Haus der Angst
Möglichkeiten, und keine davon war gut. „Ich schaff das schon. Ich brauche deine Hilfe nicht.“
„Ha!“ machte sie nur, bevor sie den Abhang hinunterlief.
Sebastian fühlte sich an wie ein Fleischbrocken – kalt, nass, blutig. Auf dem Weg zu ihrem Haus musste Lucy ihn zwei Mal auffangen, damit er nicht zu Boden fiel. Alle paar Meter taumelte er gegen einen Baum und griff nach einem Busch, um sein Gleichgewicht zu halten. Er konnte von Glück sagen, dass er den Sturz überlebt hatte.
Sie nahmen den längeren, aber leichteren Weg, der vom Fluss zurückführte, und schlichen sich durch die Hintertür ins Haus. Madison, J. T. und die Kileys waren bereits angekommen und spielten Volleyball im Garten neben dem Haus.
Lucy wusste, dass sie Sebastians Anwesenheit irgendwann erklären musste. Aber jetzt noch nicht.
Kraftlos lehnte er sich gegen die Küchentheke. Er hatte die Augen geschlossen und war sehr bleich. Das Blut aus der klaffenden Wunde über seinem rechten Auge war verkrustet. Er sah entsetzlich aus. Lucy überlegte, ob sie unbemerkt nach einem Krankenwagen telefonieren konnte, solange er halb ohnmächtig war.
„Ist dir schwindlig?“ fragte sie.
Seine Augen waren schmale Schlitze. „Ich muss nur tief durchatmen.“
„Na ja.“
„Du bist nicht Florence Nightingale.“
Sie schob ihre Schulter unter seinen Arm. „Stütz dich auf mich. Ich habe noch ein paar Kraftreserven.“
„Du wirst unter mir zusammenbrechen.“
„Ganz sicher nicht. Ich fang dein Gewicht mit meinen Beinen ab. Komm, lass uns gehen, bevor du ohnmächtig wirst. Es ist nämlich schwieriger, dich an den Füßen über den Boden zu schleifen.“
„Wo gehen wir denn hin?“
„In mein Schlafzimmer.“
Ihm gelang ein schwaches, ironisches Lächeln. Sie legte einen Arm um seinen Rücken, um ihn zu stützen. Er krümmte sich vor Schmerzen, und sie bemerkte weitere Schrammen und Wunden, die sie zuvor nicht gesehen hatte. Vielleicht hatte er sich auch ein paar Rippen gebrochen. Sein Zustand war Mitleid erregend.
„Du wirst eine Weile hier bleiben müssen“, stellte sie fest.
Er antwortete nicht. Er war schon zu weit weggetreten, um zu diskutieren. Lucy redete ihm gut zu, während sie ihn über den Flur in ihr Schlafzimmer führte. Kaum hatten sie den Raum betreten, als er auf dem geflochtenen Teppich zusammenbrach. Sie überlegte, ob sie die Tür schließen und ihn seinem Schicksal überlassen sollte. Und hoffen, dass nichts passieren würde, bis sie sie wieder öffnete.
„Na komm schon.“ Sie ergriff ihn am Arm und zog ihn weiter. „Wir haben’s fast geschafft.“
„Mir gefällt’s hier.“ Er rollte sich auf den Bauch. Ohne den Kopf zu heben, sagte er: „Mir geht’s gut. Du kannst jetzt gehen.“
Regungslos blieb er liegen. Lucy kniete sich neben ihn. Sie war verschwitzt und erschöpft. War er eingeschlafen oder bewusstlos? „Sebastian?“
„Ich bin noch nicht tot.“
Sie ging hinüber zum Fenster, von dem aus man den Garten an der Seite des Hauses überblicken konnte. Auf dem Platz zwischen der Scheune und der Garage ging das Volleyballspiel seinem Ende entgegen. Als sie bei Sebastian am Wasserfall stand, hatte sie Rob und Patti zugerufen, dass sie mit den Kindern schon nach Hause zurückkehren sollten; sie würde später nachkommen. Eine Erklärung dafür hatte sie ihnen nicht gegeben. Rob hatte ein wenig misstrauisch ausgesehen. Immerhin hatte er ein paar Tage zuvor mitbekommen, dass sie ziemlich durcheinander war. Ihr Verhalten am Wasserfall schien ein weiterer Beweis dafür zu sein.
„Hallo, Jungs!“ rief sie durch das Fliegengitter. „Ich komme gleich runter.“
„Vergiss es“, antwortete Madison. „Die Moskitos fressen uns auf.“
Pattie klemmte den Ball unter ihren Arm. „Geht’s dir gut, Lucy?“
„Klar. Ich bin bloß ausgerutscht und habe nasse Füße bekommen.“ Das würde auch ihre feuchte Kleidung erklären, für die Sebastian verantwortlich war. Allerdings nicht die Blutflecken. „Ich ziehe mich nur schnell um und komme dann raus.“
Sie eilte zurück zu Sebastian, der immer noch ausgestreckt auf dem Teppich lag.
„Kannst du mich hören?“
„Leider.“
„Ich bin sofort zurück. Versuch nicht, ohne mich aufzustehen.“
„Keine Sorge.“
Sie stieg über ihn hinweg, holte ein T-Shirt aus ihrer Schublade und überlegte einen Moment lang, ob sie ins Badezimmer gehen sollte. Aber wozu? Wenn Sebastian die Augen öffnete, schaute er in die entgegengesetzte Richtung, und er war
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