Haus der Angst
„Gut. Okay. Du nicht.“
Sie stapfte davon. Sie spürte, wenn man sie von oben herab behandelte. Er überlegte, ob er ihr folgen sollte, um sich zu entschuldigen, entschloss sich dann jedoch, es nicht zu tun. Schließlich war er nett zu ihr gewesen, bevor sie angefangen hatte, von „ewig“ zu reden. Was zum Teufel wusste ein Kind ihres Alters schon von „ewig“?
Aber er mochte sie. Sie war gedemütigt, verärgert, in die Schranken gewiesen worden, und wahrscheinlich war sie auch ein bisschen verängstigt. Trotzdem war sie entschlossen, das Beste aus der Situation zu machen. Steppdecken nähen. Madison hatte Mumm. Genau wie ihre Eltern.
Er dachte an Colin und lächelte. Sein toter Freund wäre stolz gewesen auf seine Familie und die Art und Weise, wie sie ohne ihn fertig wurde.
Als Lucy kam, saß er immer noch auf den Stufen. Sie nahm neben ihm Platz und legte die Hände in den Schoß. „Sieht ganz danach aus, als würden Madison und ich den Quilt nähen, für den deine Großmutter schon die Stoffstücke zurechtgeschnitten hat. Sie ist jetzt in dem Alter, wo sie mich zurückstößt und mich dann wieder zu sich zieht, bis ich gar nicht mehr weiß, wie ich mich verhalten soll. Ich denke, das Beste ist es wohl, Tag für Tag mit ihr fertig zu werden und sie einfach nur zu lieben.“ Plötzlich musste sie lächeln. „Teenager sind wirklich wundervoll.“
„Du hast fantastische Kinder, Lucy. Du hast tolle Arbeit geleistet.“
„Bis jetzt. Klopf auf Holz.“
„Ich möchte mich mit Barbara Allen unterhalten“, sagte er. „Ich glaube nicht, dass es länger als eine halbe Stunden dauern wird.“
„Willst du mich damit fragen, ob ich hier alleine zurechtkomme? Falls dem so ist, dann lautet die Antwort Ja. Ich komme alleine zurecht.“
Er streckte seine Beine über mehrere Treppenstufen aus. „Ich weiß nicht so recht. Wenn Daisy mich hier allein gelassen hat, wurde mir jedes Mal unheimlich – besonders bei Gewitter. Das Donnern wurde von den Hügeln zurückgeworfen. Ich habe mir dann immer ein Kissen über den Kopf gelegt.“
„Du warst ja auch ein Kind.“ Sie lachte und legte die Hand auf seinen Oberschenkel. „Sebastian, was den Vorfall von eben angeht – es ist mir nicht unangenehm, und es tut mir auch nicht Leid. Das Einzige, was ich bedauere, ist, dass wir nicht mehr Zeit hatten. Als ich dich in Wyoming besuchte, habe ich gewusst, dass es gefährlich sein würde, dich hierhin in mein Leben einzuladen. Du bist mir nämlich nie gleichgültig gewesen. Das kann ich dir versichern.“
Sie wollte ihre Hand wegziehen, aber er legte seine darauf und hielt sie fest. „Als meine Mutter gestorben ist, hat Daisy gesagt, es sei ein grausames Schicksal, sowohl ihren Mann als auch ihr einziges Kind zu verlieren. Sie war wütend, und sie glaubte, es würde alles nur noch viel schlimmer machen, wenn sie lange leben müsste. Aber sie war alles, was mir geblieben war, und sie wusste es. Sie hat das Beste daraus gemacht. Und nach einer Weile hat sie aufgehört, wütend zu sein, und wieder angefangen zu leben.“
„Ich bin niemals wütend gewesen“, sagte Lucy.
„Doch, das warst du.“
Sie schwieg. Seine Hand hielt ihre immer noch fest. Sie hätte sie ohne weiteres wegziehen können, tat es jedoch nicht.
„Colin hat dich mit zwei kleinen Kindern zurückgelassen und einem Leben, das du nicht haben wolltest. Und dann sind deine Eltern auch noch nach Costa Rica gezogen, als du sie am nötigsten gebraucht hast. Jack Swift war dir auch keine Hilfe. Er musste mit seinem eigenen Kummer fertig werden, mit seiner Arbeit, seinen Vorstellungen, wie du seine Enkelkinder erziehen solltest.“ Sebastian schwieg, aber Lucy machte keine Anstalten, ihn zu verbessern, ihm zuzustimmen oder zu sagen, er solle sich zum Teufel scheren. „Wenn ich zur Beerdigung gekommen wäre oder dich kurz danach gesehen hätte, dann hätte ich dir gerne deine Wut genommen.“
„Ich wünschte, du hättest es getan“, antwortete sie ruhig. „Ich hätte sie gerne jemand anderem überlassen. Ich glaube, ich habe dir sogar einiges davon aufgeladen – sozusagen in Abwesenheit.“
„Du hast bestimmt auf mich geflucht, nicht wahr?“
Sie lächelte. „Und wie.“ Sie zog ihre Hand fort und tätschelte ihn. „Du hast Recht. Ich war wütend. Ich wusste es damals nur noch nicht – ich hatte so viel zu tun, ich musste mit so vielen Gefühlen fertig werden. Die Wut war wohl meine geringste Sorge. Und ich fühlte mich so schuldig. Das tue ich
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