Haus der bösen Lust (German Edition)
runter. Normalerweise kommt der Laster der Heilsarmee dort vorbei und gibt uns Brötchen, aber gestern Abend war er nicht da. Nochmals vielen Dank für das Essen!«
Collier fühlte sich überwältigt. Verdammt. Was soll ich tun? Er zog eine Hundert-Dollar-Note aus seiner Brieftasche. »Hier, warum nehmen Sie den nicht einfach?«, meinte er und gab ihr den Schein.
Die Frau kippte überwältigt vor Freude und unter Tränen beinahe um. »Danke! Vielen, vielen Dank ...« Sie sprang auf und umarmte Collier.
Das Kleinkind schielte zu ihm und stopfte sich einen weiteren Hotdog in den Mund.
»Gott segne Sie, Sir! Gott segne Sie!«
Letztlich musste Collier sie von sich schieben. »Gern geschehen, aber jetzt muss ich los. Auf Wiedersehen ...«
»Danke, danke!«
Collier ging davon. Entsprach das der Art von Wohltätigkeit, zu der dieser Pfarrer aufgerufen hatte? Oder habe ich es nur getan, um mich gut zu fühlen?, fragte er sich.
Es spielte keine Rolle.
Die Überschwänglichkeit angesichts der Fortführung seiner Sendung kehrte jäh zurück. Ja-woll! Der attraktivste Mann von Food Network TV! Er öffnete und schloss das Mobiltelefon mehrere Male, aber der Bildschirm schaltete sich nicht ein. Ich muss zurück zur Pension, Shay anrufen und ihm sagen, dass er den Vertrag auf einen Termin nach meiner Scheidung datieren muss ...
Collier hatte sich etwa fünf Meter von der Obdachlosen entfernt, als er hinter sich ihre Stimme hörte.
»Pokey? Hier ist Dizzy – ja, ja, ja, und leg diesmal bloß nicht auf, du Mistratte!«
Collier drehte sich um und stellte verblüfft fest, dass die Frau mit einem Handy telefonierte, das noch teurer als sein eigenes aussah.
»Ich weiß, ich weiß, das hast du mir schon tausendmal gesagt – kein Crack mehr auf Pump. Komm einfach zur Unterführung und bring fünf Steine mit. Ja, genau, fünf!«
Was um alles in der Welt ...
»Ich verscheißer dich nicht – ja, ich hab’s! Irgend so ein Typ hat mir gerade einen Hunderter gegeben, also komm in zwanzig Minuten und bring fünf Steine mit! Heilige Scheiße, heute Nacht lass ich’s richtig krachen!«
Collier fühlte sich, als hätte eine Schar Krähen auf ihn gekackt. Ein Hotdog flog dem Kind aus der Hand, als die Frau es am Arm packte und davonstapfte. Die Tüte mit den Lebensmitteln blieb vergessen zurück.
Collier wankte zurück zu seinem Auto.
»Sehen Sie? Sehen Sie?«, höhnte der Angestellte, der vor den Laden gekommen war. »Alberne, dumme Mann nicht wollen hören! Sie ... wie sagt man? Lecken meine Arsch!«
Am liebsten wäre Collier zum Wagen gerannt.
»Ja! Ja – oh, so was, dumme, ignorante Kamelarsch von eine Mann jetzt steigt in Auto mit Farbe für Frau!« Der Mann stimmte fremdartig klingendes Gelächter an. »Und ich sehen Ihre Sendung in dumme amerikanische Fernsehen, und es ist ... wie sagt man? Blöde Scheiße!«
Collier erwiderte kein Wort. Er stieg nur in das schrill-grüne Auto und raste davon.
Er fuhr nicht zum Flughafen. Sich einfach davonzustehlen, erschien ihm als Überreaktion. Er würde noch eine Nacht bleiben, anständig auschecken und sich von Dominique verabschieden.
Womit nur seine Ängste blieben ...
In der Stadt erkundigte er sich in allen anderen Hotels und Pensionen – nirgendwo gab es ein freies Zimmer. Mittlerweile zögerte er nicht einmal mehr, es sich einzugestehen: Ich würde wirklich lieber keine weitere Nacht in diesem furchtbar verfluchten Haus bleiben. Vermutlich könnte er auch im Auto schlafen. Oder ...
Vielleicht lässt mich Dominique meine letzte Nacht bei ihr verbringen ...
Das schien ihm eine wesentlich ansprechendere Idee zu sein, aber würde sie darauf einsteigen? Würde sie darauf vertrauen, dass er ihr Zölibat respektierte?
Collier grübelte nicht allzu lang darüber nach – noch über etwas anderes. Sutes letzte Enthüllungen darüber, was sich im Jahr 1862 in Zimmer drei abgespielt hatte, waren ein zu harter Schlag gewesen. Vielleicht konnte Mrs. Butler ihm für seine letzte Nacht ein anderes Zimmer geben. Die Erinnerung an Sutes Daguerreotypie bestärkte ihn nur in seiner Entscheidung, nicht in diesen Raum zurückzukehren ...
Glaube ich wirklich an Geister?, fragte er sich.
Mittlerweile ging es auf fünf Uhr zu. Dominique wird bald im Dienst sein. Als er sein Telefon erneut überprüfte, gingen zwar die Lichter an, doch der Bildschirm meldete: Kein Empfang . Ich könnte zur Pension zurückfahren und Shay von dort aus anrufen . Als er jedoch auf dem Parkplatz eintraf,
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