Haus der bösen Lust (German Edition)
trotzdem. Sie sind mein Boss, und ich will meinen brandneuen Job nicht verlieren, indem ich was Falsches sage.«
Das machte Poltrock hellhörig. Er kannte in der Gegend niemanden. »Ich bin für jede Auskunft dankbar, die Sie mir freundlicherweise geben können. Anständige Leute behalten die Einzelheiten ihrer Gespräche für sich. Mein Wort gilt etwas, und ich bin sicher, das trifft auf Sie auch zu. Ein ehrlicher Mann ist sein Gewicht in Gold wert. Es wird zum Beispiel ein ehrlicher und hilfsbereiter Mann sein, den ich als meinen Streckenleiter einsetze. Wofür fünf Dollar die Woche zusätzlich bezahlt werden.«
Cutton nickte. »Das ist jetzt nicht respektlos gegenüber Mr. Gast gemeint, aber was ich sagen wollte, ist, dass seine Kinder ein bisschen merkwürdig sind, und dasselbe gilt für seine Frau. Ein kluger Mann tut gut daran, sich ein ordentliches Stück von ihnen fernzuhalten. Sie verheißen nichts Gutes, das ist alles, was ich sagen wollte, Mr. Poltrock.«
Cutton schnalzte mit den Zügeln und fuhr weiter.
Poltrock glaubte zu verstehen, was er meinte. Doch nun, da er sich nicht mehr in dem Haus befand, konnte er wieder klar denken. Gast hat mich soeben als seinen Stellvertreter für dieses Projekt eingestellt – das ist alles, was zählt.
Die Pferde zogen den Wagen eine Nebenstraße entlang, die parallel zur Bahntrasse verlief. Die Gleise selbst wirkten qualitativ ebenso hochwertig wie die Schwellen darunter. »Wie viel ist bisher verlegt worden?«
»Fünf, vielleicht sechs Meilen, und wir haben erst vor ein paar Wochen angefangen.«
Poltrock sah seinen Fahrer an. »Das ist beeindruckend, Cutton.«
»Mr. Gast plant die Fertigstellung für Mitte ’62. Er sagt, bis dahin wird der Krieg bereits begonnen haben, und der Süden wird wahrscheinlich bis nach Washington vorgerückt sein. Mr. Gasts Bahnstrecke wird dann eine wichtige weitere Versorgungsroute sein.«
Poltrock dachte darüber nach und grinste. Viel davon ergab für ihn keinen Sinn. Eine weitere Versorgungsroute ... aus Maxon? Er hielt es für das Beste, nicht darauf einzugehen. Tu einfach, wofür du bezahlt wirst, und lass Gast denken, was er will ...
Ein Blick voraus ließ ihn die Anlage erkennen. Eine Dampflokomotive mit mehreren Flachwagen brachte die neuen Schienen und Schwellen zum aktuellen Standort der Bauarbeiten und kehrte anschließend nach Virginia zurück, um mehr zu holen – konstanter Materialnachschub. Bei jeder Rückfahrt würde die neu verlegte Trasse ein bis zwei Meilen länger sein. Fünf Jahre , konnte Poltrock nur denken. Fünf Jahre hin und her, jede Rückfahrt ein Stückchen länger . Es würde harte Arbeit werden – was Poltrock nicht störte –, und bei Abschluss des Projekts würde sich ein Großteil seines stattlichen Lohns noch auf der Bank befinden. Ich werde nicht viel Zeit haben, es auszugeben.
Die Sonne blendete. Je näher sie der Baustelle kamen, desto deutlicher wurden die Geräusche: das Klirren von Metall, als hundert Sklaven mit Hämmern auf Nägel eindroschen. In Poltrocks Ohren klang das beinahe wie Musik.
»Wir sind fast da«, sagte Cutton.
Plötzlich stieg Poltrock ein widerlicher Geruch in die Nase. »Grundgütiger, was ist das?«
Cutton deutete über die Gleisanlage hinaus auf Ackerland. Poltrock sah Baumwolle, Mais und Bohnen, die von willfährigen Sklavinnen geerntet wurden. Doch es war nicht das, worauf Cutton zeigte ...
Poltrock musste an Vogelscheuchen denken, als er mehrere abgetrennte Köpfe auf Pfählen bemerkte. Stammte der fürchterliche Geruch von den verwesenden Schädeln? »Ich habe von Hinrichtungen gehört«, sagte er und musste beinahe würgen.
Cutton nickte. »Ja, Sir. Ich schätze, man könnte es Plantagenjustiz nennen. Wenn Sklaven dreist werden ... na ja, dann muss man ein Exempel an ihnen statuieren.«
»Wurden auch schon Weiße hingerichtet?«
»Oh ja, mindestens zwei oder drei. Ein Bursche wurde dabei erwischt, wie er was von Mr. Fecory stehlen wollte ...«
In Gedanken starrte Poltrock den sonderbaren Namen an. »Wer ist das?«
»Jemand, den Sie wie den Rest von uns gut kennenlernen werden. Mr. Fecory ist der Zahlmeister. Jeden Freitag taucht er mit seinem Wirtschaftsbuch und einem Koffer voll Geld auf der Baustelle auf. Komischer kleiner Kerl mit einer roten Melone. Und er hat ’ne Goldnase.«
»Eine was? «
»Goldnase. Es heißt, die Nase sei ihm vor ’ner Weile von Banditen weggeschossen worden, die ihn ausrauben wollten, deshalb hat er jetzt eine falsche
Weitere Kostenlose Bücher