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Haus der Erinnerungen

Haus der Erinnerungen

Titel: Haus der Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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drehte den Kopf und betrachtete lange den leeren Sessel vor dem Kamin.
    Ihr Gesicht war eine Maske der Unergründlichkeit, still und ausdruckslos. Lange blickte sie den Sessel an, dann sagte sie langsam und betont: »Hast du hier im Haus irgendwas gesehen, Andrea?«
    Ihre Worte erschreckten mich. Unsere Blicke trafen sich und hielten einander fest, und ich fragte mich, was weiß sie ? Schließlich wandte ich mich ab und sagte: »Ich habe nur laut gedacht, Großmutter. Meine beste Freundin in Los Angeles heißt Harriet. Immer wenn ich Probleme habe, spreche ich mit ihr.« Ich lachte nervös. »Lieber Gott, Großmutter, ist es dir noch nie passiert, daß du Selbstgespräche geführt hast?« Die Härte in ihrem Gesicht wich Besorgnis. »Armes Kind, dir geht's gar nicht gut hier, nicht? Die Umstellung von Amerika nach hier ist wahrscheinlich viel zu schnell gegangen. Ich hab mal im Manchester Guardian einen Bericht über etwas gelesen, das die Wissenschaftler Biorhythmus nennen. Das ist es, was dir zu schaffen macht. Du bist ganz aus dem Rhythmus.
    Und es ist dir bestimmt auf den Magen geschlagen, hm ?«
    »Ich -«
    »Aber keine Angst, dafür hab ich genau das Richtige. Du wirst sehen, wie es wirkt.«
    Sie stemmte sich ächzend aus dem Sessel und humpelte auf ihren Stock gestützt zum Büffet - diese unerschöpfliche Schatzgrube -, griff hinein und brachte eine unbeschriftete Flasche mit einer weißen Flüssigkeit zum Vorschein.
    »Bei mir hilft das jedes Mal«, erklärte sie, während sie in die Küche hinüberging. Als sie zurückkam, hielt sie einen großen Löffel in der Hand, in den sie einen guten Schuß der dicklichen weißen Flüssigkeit goß.
    »Hier, Kind.« Sie stieß mir den Löffel förmlich unter die Nase. »Was ist das denn ?«
    »Medizin. Der Arzt hat sie mir verschrieben. Ich hatte fürchterliche Verstopfung. Aber das Zeug hat gewirkt wie der Teufel. Und seitdem hab ich überhaupt keine Schwierigkeiten mehr.«

    »Aber, Großmutter, ich hab ja gar keine -«
    »Komm schon, Kind, nimm die Medizin.« Lächelnd stieß sie mir wieder den Löffel unter die Nase. Der Geruch war widerlich. Ich schloß die Augen, öffnete den Mund wie ein folgsames Kind und schluckte die ganze Ladung in einem. Beinahe hätte ich alles wieder erbrochen.
    »Oh, Großmutter -« Ich drückte die Hand auf den Mund. »Das schmeckt ja scheußlich.«
    »Aber es wirkt, paß nur auf.«
    Ich schnitt eine Grimasse. Der Nachgeschmack war abscheulich, kalkig und bitter mit einer Spur von irgend etwas Undefinierbarem.
    »Ich finde, du gehörst mit deinen Brandwunden an den Beinen und deiner Verstopfung eher ins Krankenhaus als dein Großvater«, bemerkte Großmutter, während sie die Medizinflasche zuschraubte und wieder ins Büffet stellte. »So«, sagte sie, unverkennbar zufrieden mit dem Erreichten, »jetzt gehen wir am besten zu Bett, sonst nicken wir wieder hier in unseren Sesseln ein. Möchtest du heute oben schlafen, Kind, für den Fall, daß du nachts schnell raus mußt? Ich kann dir zwei Wärmflaschen ins Bett legen.«
    Aber ich wollte nicht nach oben. Die Szene mit dem alten Kleiderschrank war mir noch in allzu lebhafter Erinnerung. »Ich schlafe lieber hier, Großmutter. Bis zum Bad hinauf schaffe ich es schon, wenn ich wirklich raus muß.«
    »Na schön, Kind, wie du willst. Dann gute Nacht.« Sie küßte mich auf beide Wangen und drückte mich überraschend kräftig an sich. Dann ging sie und schloß die Tür hinter sich.
    Als ich sie die Treppe hinaufhumpeln hörte, stand ich auf und stellte das Gas ab.
    Ich war überrascht, als ich erwachte. Überrascht und ein wenig beunruhigt. Ich konnte mich nicht erinnern, mich entkleidet und mein Nachthemd angezogen zu haben, und ich konnte mich nicht erinnern, unter die Decken auf dem Sofa geschlüpft zu sein. Als ich plötzlich aus dem Schlaf fuhr und mit weit offenen Augen in die Dunkelheit starrte, wußte ich im ersten Moment nicht, wo ich war. Ich warf die Decken ab, die schmerzhaft auf meine Beine drückten, und setzte mich auf. Wie aus weiter Ferne hörte ich die Klänge von ›Für Elise‹, und da wußte ich, was mich aus dem Schlaf gerissen hatte.
    Es war stockfinster im Zimmer. Ich stand auf und tastete mich von Möbelstück zu Möbelstück zum Fenster vor, um die Vorhänge aufzuziehen. Aber die Nacht draußen war so schwarz und undurchdringlich wie die Nacht drinnen. Kein Mond, kein Stern war am wolkenverhangenen Himmel zu sehen. Vorsichtig tappte ich durch das Zimmer zurück zur

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