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Haus der Erinnerungen

Haus der Erinnerungen

Titel: Haus der Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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er ist ein Geschäftsfreund.«
    Harriet nickte nur und wandte sich von ihrem Bruder ab. Die Hände ineinander gekrampft, tiefe Unruhe auf dem Gesicht, ging sie um den moosgrünen Sessel herum. Aber nicht der Fremde an der Tür, sondern etwas anderes quälte Johns Schwester. Mit großer Sorgfalt, das sah ich von meinem Platz aus, wählte sie ihre nächsten Worte.
    »John, ich habe Victor heute getroffen.«
    John blickte nicht auf. Er starrte ins Feuer und war mit seinen Gedanken ganz woanders.
    »Ich habe ihn auf dem Anger getroffen. Er sagte, er hätte sehr viel zu tun. Er hat eine Menge Patienten. Deshalb kommt er nie her. Ich habe ihn zum Abendessen eingeladen. Ich habe ihm gesagt, wie sehr Vater sich freuen würde, wenn er käme. Aber ich glaube, er wird nicht kommen. Willst du ihn nicht einmal auffordern ?« John hob den Kopf. »Wie ? Was sagst du ? - Ach so, Victor. Ich war in seiner Praxis. Gar nicht übel. Sie schicken viele aus dem Krankenhaus zu ihm. Er steht sich gut mit den Ärzten dort. Ich hab ihn schon eingeladen, Harriet, aber er scheint keinen großen Wert darauf zu legen, uns zu besuchen. Wegen Vater ist es nicht, das weiß ich. Sie haben sich ausgesöhnt.«
    »Was ist es dann ?«
    John zuckte die Achseln. »Keine Ahnung.«
    »John, ich finde, Victor sollte nach Hause kommen. Für immer, meine ich.«
    »Ja...« Er kehrte ihr den Rücken und versank wieder in Nachdenklichkeit.
    »Ich finde es nicht richtig«, fuhr Harriet fort, »daß er in einem Zimmer im Horse's Head wohnt. Er braucht ein richtiges Zuhause. Du und Jenny wohnt jetzt schon ein Jahr hier.
    Findest du nicht, es ist Zeit, daß ihr auszieht? Wenn ihr ein eigenes Haus habt, kann ich das obere Zimmer haben, und Victor kann nach Hause kommen.«
    Mit raschelndem Rock schritt sie im Zimmer auf und ab. »John, ich möchte etwas mit dir besprechen -«

    »Ich weiß schon, worum es geht«, sagte er gereizt und drehte sich ärgerlich um. »Du möchtest wissen, was aus meinem Geld geworden ist. Na schön, wenn du es unbedingt wissen mußt, der Mann, der eben hier war, ist ein Buchmacher. Mein Buchmacher, und er war hier, weil ich ein paar Schulden bei ihm habe. Bist du nun zufrieden?«
    »Ach, John...«
    »Ja, ja, ach John! Ich hätte bestens dagestanden, wenn ich nicht das Pech gehabt hätte, auf ein paar richtige Nieten zu setzen. Ich hätte schon letzte Woche ein Haus kaufen können.
    Und sag Vater ja nichts, der würde mir höchstens die Hölle heiß machen.«
    »Ach, John, das ist mir doch gleich. Bleib hier wohnen, wenn du willst. Bleib meinetwegen für immer hier. Es ist mir gleich, daß du spielst.«
    »Ich setz hin und wieder mal auf ein paar Pferde - das kann man doch nicht Spielen nennen.«
    »Ich wollte über etwas anderes mit dir sprechen, John.« Sie lief zu ihm und legte ihm die Hand auf den Arm. »Ich brauche deine Hilfe-«
    Aber John schüttelte den Kopf. »Es geht natürlich wieder um diesen Kartoffelfresser Sean O'Hanrahan, stimmt's?« sagte er mit finsterer Miene. »Ich will nichts davon hören.
    Wenn man mit solchen Leuten verkehrt, kommt man nur in Teufels Küche. Ich hab dir gesagt, du sollst dich von ihm fernhalten, und das ist mein letztes Wort.«
    »Aber ich liebe ihn!«
    »Du bist ja von allen guten Geistern verlassen! Das Thema ist längst erledigt, Harriet, und ich möchte diesen Namen nicht mehr in diesem Haus hören. Wenn ich dich noch einmal dabei ertappen sollte, daß du mit diesem Kerl sprichst, werde ich -«
    »Du bist nicht besser als Vater!« rief sie. »Ihr seid alle gegen mich. Mit Victor kann ich auch nicht sprechen. Er ist ganz anders als früher. Er ist richtig launisch geworden, und wenn ich mit ihm reden will, merke ich genau, daß er an was ganz andres denkt. Es ist ein Jahr her, John, ein ganzes Jahr, daß Victor das letzte Mal in diesem Haus war. Und dir scheint das völlig gleichgültig zu sein. Und ich bin dir auch gleichgültig.« John wandte sich nur schweigend von ihr ab. »Und du!« fuhr sie fort, in einem Ton, der an ein verwirrtes Kind erinnerte. »Seit du verheiratet bist, kenne ich dich nicht mehr. Wenn du nicht mit Jenny zusammen bist, dann bist du auf der Rennbahn. Du hast überhaupt keine Zeit mehr für mich -
    genau wie Victor und Vater und Mutter. Siehst du denn nicht, daß ich deine Hilfe brauche, John?«
    Merkwürdigerweise löste sich die Szene an dieser Stelle auf, noch während Harriet mit Kinderstimme um Hilfe flehte. Aber ich war froh, daß es ein Ende hatte. Mir war so schwach

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