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Haus der Erinnerungen

Haus der Erinnerungen

Titel: Haus der Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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kurz und heftig und eilte aus dem Zimmer. Sie blieb reglos stehen, und wir hörten, wie er leise die Zimmertür hinter sich zuzog und wenig später die Haustür. Als sie gewiß war, daß er fort war, als im Haus Grabesstille eingekehrt und nur noch das feine Ticken der Uhr zu hören war, stieß Jennifer ein herzzerreißendes Schluchzen aus und stürzte zu Boden. Als ihre Hand meinen Fuß berührte, verschwand sie.
    Gegen halb zehn erwachte Großmutter aus ihrem Schlummer. Mit Hilfe ihres Stocks stemmte sie sich aus dem Sessel und humpelte hinaus, um nach oben in ihr Zimmer zu gehen.
    Ich hörte, wie sie im Bad heißes Wasser in die Wärmflaschen laufen ließ und dann in ihr Zimmer tappte. Ich hörte das Quietschen der Sprungfedern, als sie sich in ihr Bett sinken ließ.
    Danach strich ein wispernder Wind durch das Haus, und es war, als seufzten die Wände. Ich wartete ungeduldig auf meine nächste Begegnung.
    Sie erfolgte wenige Minuten später.
    Während ich noch über das Unglück nachdachte, das die Familie Townsend damals heimgesucht hatte, hörte ich im Salon Geräusche. Langsam, unsicher ging ich hinüber. Noch vor wenigen Tagen hatte ich nur heitere Szenen miterlebt, ganz normale Familienszenen, in denen sich die Townsends wie jede andere Familie gezeigt hatten. Aber dann war eine Wendung erfolgt. Die Episoden, deren Zeugin ich wurde, waren immer beängstigender geworden. Sie hatten jetzt etwas Makabres, Untertöne von Blut und Schande und Vernichtung.
    Was würde ich diesmal erleben ? Wie weit würde diese Familie in ihrem Hang zur Selbstzerstörung noch gehen ?
    Harriet war im Salon. Sie lag auf dem großen Sofa, den Kopf in die Arme gedrückt, und schluchzte. Ich blieb an der Tür stehen, nicht ohne Mitgefühl mit diesem Kind, das so ahnungslos in die Welt der Erwachsenen hineingestolpert war. Ich hätte gern gewußt, was für einen Tag man schrieb, in welchem Jahr wir uns befanden. Wieviel Zeit war seit der Abtreibung vergangen ? Was war in der Zwischenzeit geschehen ? Wo war Victor ? Was war nach seinem Sturz aus ihm geworden ? Und war Scan O'Hanrahan verschwunden ? War John schon zurück, die Taschen voller Geld vielleicht ? Oder hatte sich etwas Neues ereignet, das mir jetzt offenbart werden sollte ?
    »O Gott, o Gott, o Gott«, schluchzte Harriet unaufhörlich. »Es ist alles meine Schuld.
    Ich hab's ihm gesagt. Ich hab's ihm selbst gesagt. Ich hätte den Mund halten sollen. Ich brauchte es ihm nicht zu sagen.«
    Sie marterte sich mit Selbstvorwürfen.
    Das Feuer im Kamin war fast ganz heruntergebrannt, und das Zimmer wirkte düster.
    Harriet lag da, als hätte sie sich in einem heftigen Anfall von Verzweiflung niedergeworfen.
    »Natürlich ist er jetzt böse und bitter. Ich hätte es ihm nicht sagen sollen. Er ist böse, und darum hat er es getan. Ich kann's ihm nicht einmal übelnehmen. Ich kann nur mir selbst die Schuld geben. Ja,
    ich bin selbst schuld daran, weil ich so dumm war. So unglaublich dumm.«
    Den Rest verstand ich nicht. Sie schluchzte in ihre Arme und brabbelte immer weiter.

    Nur ab und zu, wenn sie sich besonders heftig erregte und laut wurde, konnte ich verstehen, was sie sagte. »Ach, hätte ich doch nur den Mund gehalten. Dann hätte er das nicht getan.
    Jetzt kann ich nie wieder unter Menschen gehen.« Sprach sie immer noch von Scan ? Oder meinte sie Victor ? Als Harriet sich schließlich aufsetzte und sich die Augen wischte, wich ich entsetzt und erschrocken zurück. Sie sah aus, als hätte man ihr den Kopf geschoren. Sie stand auf und ging zu dem goldgerahmten Spiegel, der über dem Kamin hing. Voller Abscheu musterte sie sich darin. »Du kannst es ihm nicht übelnehmen«, murmelte sie wieder, während sie ihr verschwollenes Gesicht unter dem kurzgeschnittenen Haar betrachtete. »Er ist böse auf dich, und das ist kein Wunder. Er wußte nicht, wie er seinen Zorn und seine Wut sonst an dir auslassen sollte. Du hättest dich gleich umbringen sollen, dann wären jetzt alle froh und glücklich. Ihm wäre die Schande erspart geblieben. Mutter wäre nicht krank geworden, und John wäre nicht davongelaufen. Ja, ja, schau dich nur an! Wer kann ihm einen Vorwurf machen ?«
    Es war kaum Bitterkeit in ihrer Stimme. Sie sprach eher in einem kindlich flehenden Ton, wie das Opfer, das seinen Folterknecht anbettelt, es zu verschonen.
    Sie sah schrecklich aus. Von dem schönen kastanienbraunen Haar, das voll und lockig ihr Gesicht umrahmt hatte und das einzig wirklich Reizvolle an ihr gewesen

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