Haus der Lügen - 8
erwartest. Mittlerweile weiß ich es – hoffe ich jedenfalls. Ich verspreche dir, ich werde alles tun, was in meiner Macht steht. Aber bitte: Wenn Du kannst, dann wache über uns! Wir brauchen Dich jetzt mehr denn je. Wenn die Kanonenkugeln uns erst einmal um die Ohren fliegen, dann habe ich vielleicht keine Zeit mehr dazu, Dir das zu sagen, oder auch nur in der Art und Weise an Dich zu denken, wie ich das sollte. Aber vergiss uns nicht! Und vor allem nicht meine Männer. Ich bin ja vielleicht nicht so wie Maikel, aber ich bin bereit, alles hinzunehmen, was Du für uns beabsichtigen magst. Aber bitte pass auf meine Männer auf. Bitte, Gott, wer immer Du in Wahrheit bist und was immer Du von uns – von mir – erwartest, bitte pass auf meine Männer auf!
November,
im Jahr Gottes 894
.I.
NGS Schwert Gottes , vor der Windmoor-Küste, Golf von Tarot
»Es fällt mir in letzter Zeit schwer, mich selbst daran zu erinnern, dass Gott und Langhorne jedwed Ding zu seiner Zeit verteilen«, merkte Kornylys Harpahr an, während er nach seiner Tasse heißer Schokolade griff. »Oder vielleicht sollte ich lieber sagen, ich habe zunehmend Schwierigkeiten, meine Seele zur Geduld zu ermahnen, bis Langhorne die Günstlinge Shan-weis in die Grube stürzen lässt, die für sie bereits vorbereitet ist.«
»Besagte Günstlinge sind außerordentlich ... lästig, ja, Mein Lord!«, unterstrich Pater Ahrnahld. »Wahrscheinlich fällt es uns allen deswegen so schwer daran zu denken, dass auch alles Gute seine Zeit hat.«
»Momentan, fürchte ich, ist es die Zeit für meine Magengeschwüre. Sie entwickeln sich prächtig.« Harpahr schüttelte den Kopf und nippte an seiner Tasse.
Ahrnahld Taibahld schnaubte belustigt und bestrich einen weiteren Schiffszwieback mit Butter. Da die Butter in der kühlen Bilge des Flaggschiffs aufbewahrt wurde, hielt sie sich bislang bemerkenswert gut. Allmählich wurde sie allerdings ranzig – früher oder später passierte das immer. Trotzdem war der Schiffszwieback mit Butter – ranzig hin oder her – immer noch genießbarer als ohne. Ein Klacks Marmelade tat ein Übriges. Und Hühner und Wyvern gleichermaßen legten immer noch regelmäßig Eier.
Harpahr hatte sein Frühstück – Eier mit Speck – bereits vertilgt. Nun schob er seinen Stuhl zurück. Taibahld wollte sich daraufhin ebenfalls erheben. Doch mit einer Handbewegung bedeutete ihm der Admiral, sitzen zu bleiben.
»Frühstücken Sie zu Ende, Ahrnahld!«, gebot er ihm. »Nicht einmal die Shan-wei-verdammten Ketzer werden uns innerhalb der nächsten Viertelstunde belästigen!«
»Sehr wohl, Mein Lord. Ich danke Ihnen.«
Eigentlich wäre Taibahld jetzt wirklich lieber aufgestanden. Es nicht zu tun erschien ihm respektlos. Aber der Pater wusste genau, dass er damit den Admiral General nur verärgern würde. Außerdem würde Harpahr ihn schelten, sollte Taibahld jetzt sein Frühstück herunterschlingen. Also kaute er langsam und methodisch weiter, während Harpahr schon auf die Heckgalerie der Schwert Gottes hinaustrat.
Das Flaggschiff hielt seinen Südwestkurs; bei gleichmäßigem Wind von Backbord kam sie unter Mars- und Bramsegeln leidlich voran. Mit so wenig Segeln erreichte sie bei den derzeitigen Windverhältnissen gerade einmal vier Knoten. Harpahr hätte wirklich gern weitere Segel setzen lassen. Bedauerlicherweise schien Herzog Aufgehende Sonne nicht ganz so gut mit Schiffen umgehen zu können wie er selbst.
Ist ja auch nicht weiter verwunderlich , dachte der Admiral General mürrisch. Ich bin ja froh, dass der Herzog überhaupt bereit ist, sich mit uns zu koordinieren. Seine Formulierungskünste beeindrucken mich aufs Höchste. Herrlich, wie er mit Sprache umgeht – oder zumindest sein Sekretär. Trotzdem könnte ich auf diese blumigen Briefe bestens verzichten, wenn er mich nur endlich den Segeldrill durchführen ließe, um den ich ihn gebeten habe!
Harpahr verkniff sich eine Bezeichnung für den harchongesischen Flottenkommandeur, den Bischöfe eigentlich nicht verwenden sollten – nicht, um treue Söhne von Mutter Kirche zu beschreiben. Unter den gegebenen Umständen verlangte das Harpahr deutlich mehr Selbstbeherrschung ab als sonst.
Vielleicht sollte ich das Ahrnahld überlassen – soll er doch mit Berg der Winde reden, so von Flaggkommandant zu Flaggkommandant. Vielleicht könnten wir das so an Aufgehende Sonne vorbeischmuggeln. Aber da Aufgehende Sonne den Vater von Berg der Winde auf den Tod nicht ausstehen kann,
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