Haus der Lügen - 8
(eigentlich war während dieser ganzen Fahrt keine halbe Stunde vergangen, in der er sich das nicht gewünscht hatte). Diese so genannten Verbündeten waren furchtbar unerfahrene Seefahrer; es mangelte ihnen in jeder Hinsicht an Disziplin, aber dafür legten sie eine Überheblichkeit an den Tag, die auch zu besseren Zeiten jedem die Frage nach dem Wert dieser Verbündeten aufgedrängt hätte. Dass ein Großteil ihrer Schiffe ganz oder weitgehend unbewaffnet war, machte alles nur noch schlimmer. Selbst einer der charisianischen Schoner konnte eine unbewaffnete Galeone straflos angreifen: Die Hand voll bewaffneter, entsetzlich ungeschickt geführter, harchongesischer Galeonen war beklagenswert unfähig, den Gegner abzuwehren. Deswegen war Harpahr ja auch gezwungen, ein ganzes Geschwader seiner eigenen Galeonen eigens dafür abzustellen, die Aufgabe zu erfüllen, die eigentlich den Harchongesen selbst zukam.
Vielleicht können wir Aufgehende Sonne ja dazu bringen, seine Schiffe an Desnairia zu verkaufen, wenn wir Iythria erreicht haben , dachte Harpahr sehnsüchtig. Jahras mag ja auch nicht gerade ein Meister der Seefahrt sein, aber er ist auf jeden Fall besser als diese Harchongesen! Und eigentlich war der Plan ja, die Schiffe mit desnairianischen Geschützen auszustatten, weil die Gießereien aus Harchong der Aufgabe einfach nicht gewachsen sind ... Irgendwie müsste ich Vikar Allayn doch überreden können, auch desnairianische Besatzungen an Bord zu nehmen, damit diese Geschütze beizeiten auch zum Einsatz kommen!
»Ich frage mich, wann die Charisianer aufhören, um uns herumzutänzeln, und tatsächlich angreifen, Mein Lord«, sagte Taibahld jetzt. Mit der Tasse in der Hand deutete er luvwärts. Dort hielten schon wieder drei der allgegenwärtigen, unfassbar manövrierfähigen charisianischen Schoner Schritt mit Harpahrs Formation. »Gut, zugegeben, es ist äußerst lästig, wenn die Schoner angeschossen kommen. Aber Cayleb kann doch unmöglich glauben, dass sie wirklich ernstlichen Schaden anrichten!«
»Nicht, solange wir unsere Formation halten«, stimmte Harpahr zu. »Aber vergessen Sie nicht, wie es uns in der Sturmpassage ergangen ist. Wenn da diese Schoner aufgekreuzt wären ...«
Er beendete den Satz nicht, sondern zuckte nur mit den Schultern. Taibahld nickte.
»Ich verstehe, was Sie meinen, Mein Lord. Aber wenn nicht ein weiterer Sturm aufzieht – was in diesen Gewässern um diese Jahreszeit jederzeit passieren könnte –, ist es dennoch äußerst unwahrscheinlich, dass wir wieder versprengt werden. Cayleb ist entschieden zu schlau, um sich auf so etwas zu verlassen , und allmählich läuft ihm die Zeit davon. Wenn wir erst einmal den Tarot-Kanal durchquert haben und Jahras zu uns stößt, ist alles doch zu spät für ihn! Es sei denn, er will es mit uns allen gleichzeitig aufnehmen!«
Nun war es an Harpahr zu nicken. Taibahld und er hatten diesen Punkt schon diskutiert. Sein Flaggkommandant hatte Recht, keine Frage. Wenn Cayleb von Charis nicht bald zuschlüge, verpasste er eine gute Gelegenheit zum Angriff.
»Na ja, laut den letzten Depeschen, die uns erreicht haben, blockiert er immer noch die Howard-Passage«, merkte der Admiral General an. »Ich weiß, dass alles, was Jahras uns schickt, immer mindestens zwei oder drei Fünftage veraltet ist, Semaphoren hin oder her. Aber selbst wenn man das berücksichtigt, muss der Großteil von Caylebs Schiffen immer noch weit südlich von uns liegen.« Harpahr verzog das Gesicht. »Möglicherweise lässt er sich ja tatsächlich zwischen uns und der Küste von Desnairia in die Zange nehmen.«
»Nein, unmöglich, Mein Lord!«, widersprach Taibahld, respektvoll, aber doch entschieden. »Ich bin erstaunt, dass er sich überhaupt so lange vor Desnairia hat aufhalten lassen. Er wird niemals zulassen, dass wir ihn vor der Küste festnageln. Wahrscheinlich haben Sie Recht: Er dürfte südlich von uns sein. Aber dann heißt das – und ich wäre bereit, darauf zu wetten! –, dass er es darauf anlegt, uns irgendwo im Tarot-Kanal zu stellen. Aber egal: In jedem Fall wird er entsetzlich in der Unterzahl sein. Das heißt, Vikar Allayns kleines Täuschungsmanöver könnte funktioniert haben und Cayleb hat einen beachtlichen Teil seiner Gesamtkampfstärke für den Schutz von Chisholm und Corisande abgestellt. Dann wäre er uns zahlenmäßig sogar ganz furchtbar unterlegen. Möglicherweise glaubt er, bei einem Kampf im Kanal wäre unsere Bewegungsfreiheit hinreichend
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