Haus der roten Dämonen
Talaren der berühmten und altehrwürdigen Prager Universität mit drei Männern, deren schlichtere Kleidung sie als Protestanten auswies. Immer wieder deuteten sie zur Teyn-Kirche hinüber und schimpften lautstark über die hussitischen Zustände und über die bigotte Prachtentfaltung dort. Andererseits fluchten die Protestanten auf den Papismus der Jesuiten und deren blinde Romhörigkeit, die eigenes Denken weder verlangte noch wünschte, ja sogar unterband. Im Gewande dieser Engstirnigkeit seien Ereignisse wie das von letzter Nacht wohl nicht zufällig, wüteten ihre Widersacher.
Warum dann die Abtrünnigen ihre Kinder in die ach so unbeliebte Jesuitenschule schickten, wagte einer der Jesuiten zu fragen – und es kam zu einem Gestoße und Geschiebe,
in dessen Gefolge sicher die Fäuste gesprochen hätten, wenn nicht unvermittelt ein Wolfswesen aus einer der Seitengassen aufgetaucht wäre.
Die Streithähne verstummten, rafften ihre Talare und Röcke und machten sich so schnell aus dem Staub, dass Julia nur noch die wehenden Roben zu Gesicht bekam.
»Statt etwas zu tun, reden sie nur«, blaffte Jan. »Talare! Noch schlimmer sind nur die Berater des Königs! Sie müssten den Kaiser warnen, ihn aus der Stadt schaffen oder zumindest auf uns hören. Aber sie sind Zauderer und Bedenkenträger, wie wir bereits erfahren haben.« Er lugte aus ihrem Versteck.
»Was glaubst du, in welchem Turm hat Contrario Messer Arcimboldo versteckt?«, flüsterte Jan.
Julia schaute vorsichtig über Jans Schulter und musterte die großen Glockenöffnungen an den Turmseiten. »Im Nordturm«, sagte sie und deutete auf den linken der beiden Türme. »Die Wand ist mit weißem Kot verspritzt. Die Turmfalken nisten also im Nordturm.«
Der Wolfsdämon hatte den Markt überquert und war in der gegenüberliegenden Gasse verschwunden. Jan gab das Zeichen für den Aufbruch.
Unbehelligt erreichten sie die Teyn-Schule, schlüpften durch den schmalen Durchgang auf den Vorplatz vor der Kirche hinaus. Kurz standen sie im rechteckigen Innenhof, der zuerst den Blick in den Himmel lenkte und dann erst auf das große Kirchenfenster und auf das Portal darunter, dem eigentlichen Eingang zur Kirche. Julia war froh, ins Trockene zu kommen. Der Regen fiel immer dichter und weitete sich zuletzt zu einem Wolkenbruch aus.
»Glaubst du, er wird bewacht?«, flüsterte Julia, wischte sich das Wasser aus dem Gesicht und blickte suchend umher.
»Wer weiß«, betonte Kithara, der bereits die ersten Stufen zum Portal erklommen hatte. Der Kater sah unglücklich drein. Offenbar fror er, denn er zitterte an den Hinterflanken. »Nur wenn Contrario befürchtet, dass wir das Versteck Messer Arcimboldos entdecken.«
»Woher sollten wir davon wissen? Woher sollte er davon wissen, dass wir es suchen?«, warf Jan ein.
Julia kam die Aussage des Katers merkwürdig vor. Welchen Sinn hatte es, einen Menschen zu entführen und ihn irgendwo zu verstecken, wenn man ihn dann seinem Schicksal überließ, ihn nicht bewachte oder zumindest darauf achtete, dass er nicht entfliehen konnte? Sie traute Kithara nicht über den Weg und beschloss, vorsichtig zu sein. Auch verhielt sich Kithara so, als hätte er etwas zu verbergen. Sein Gang war unsicher und sein Blick pendelte unstet hin und her.
»Ich bringe euch zum Turmaufgang. Oben auf der Balustrade geht ihr dann zum Nordturm hinüber«, sagte der Kater.
Das Kirchenschiff war leer. Jeder Schritt hallte doppelt so laut von den Wänden zurück.
»Wo geht es zu den Türmen hinauf?«, fragte Julia. Ihre Stimme klang, als würde sie schreien, so sehr wurde sie durch die gähnende Leere verstärkt. Die Geräusche wurden vervielfacht und ließen sie beide zusammenzucken. Wo waren nur die Gläubigen, die sich sonst zu Gebeten oder kurzen Minuten der Muße hier einfanden?
Julia wollte ihre Gedanken eben laut äußern, als ihr die Antwort leibhaftig entgegentrat.
»Er wird also doch bewacht«, murmelte Jan.
Vor ihnen baute sich ein Wesen auf, das mit seinem plumpen Aussehen sehr an einen Bären erinnerte. Doch es war kein Bär. Seine lange, mit Zähnen bewehrte Schnauze
klappte auf und zu. Sein purpurner Pelz schimmerte gefährlich. Als er die kleine Gruppe sah, fuhren lange, spitze Klauen aus seinen Tatzen.
»Den übernehme ich. Er versucht, uns den Weg abzuschneiden. Ich locke ihn von der Tür weg«, sagte Kithara und konzentrierte sich bereits auf den Bären.
»Wo liegt der Zugang zu den Türmen?« Jan hatte keine Ahnung, ob der Bär
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