Haus der Schatten (Unheimlicher Roman/Romantic Thriller) (German Edition)
mehr noch: Sie fieberte diesem Abend geradezu entgegen. Sie fühlte sich fast ein wenig beschwingt, und das änderte sich auch nicht, als die hohe, düstere Mauer auftauchte, die das Haus der Bailys umgab. Sie passierte das gusseiserne Tor, das auf einen Signalgeber im Auto reagierte, und fuhr dann vor das Portal. Dort stellte sie den Wagen ab, stieg aus und schlug die Tür hinter sich zu.
"Sie kommen spät, Miss Baily!", sagte eine kalte Stimme.
Francine blickte auf und sah die finstere Silhouette eines Mannes die Stufen des Portals hinterkommen. Unterdessen war der Mond am Himmel aufgegangen. Der Himmel war klar und die Luft frostig. Der Mann trat jetzt noch etwas weiter vor und kam aus dem Schatten heraus. Das fahle Mondlicht fiel ihm in das graue Gesicht. Es war Jenkins, der Majordomus. Francine blickte ihm ins Gesicht und das, was dort zu lesen war, verwirrte sie. Sie wusste es nicht so recht zu deuten. Vielleicht war es eine Art Misstrauen.
"Ist Ihr Dienst nicht schon längst zu Ende, Mr. Jenkins?"
Jenkins antwortete nicht, sondern kam noch ein paar Schritte heran und musterte sie nachdenklich.
Dann sagte er unvermittelt: "Miss Gormley hatte Ihnen etwas zum Abendessen bereitgestellt. Aber ich fürchte, es ist bereits kalt..."
"Wenn Sie Miss Gormley noch antreffen sollten, dann richten Sie ihr trotzdem meinen herzlichsten Dank aus, Jenkins!"
"Sehr wohl, Ma'am..."
Und dann ging er - steif und ein wenig ungelenk wie stets - an ihr vorbei, ohne sich noch einmal zu ihr umzudrehen.
*
Als Francine das Esszimmer betrat, stand Bellinda Randolph dort am Fenster. Auf dem Tisch stand das Abendbrot, das Miss Gormley bereitet hatte. Bellinda wandte sich nicht um, als Francine hereinkam.
In der Rechten hielt sie ein Glas, in dem eine braune Flüssigkeit war.
Whisky wahrscheinlich. Francine hatte sich gerade gesetzt, da sagte Bellinda: "Na, bist du jetzt am Ziel deiner Träume, mein schönes Kind?" Dann drehte sie sich herum und nippte an ihrem Glas, während Francine die Augenbrauen hob.
"Was soll das heißen, Bellinda?"
"Ach komm schon, Francine! Du magst aller Welt ja die Unschuld vom Lande vorspielen, aber mir gegenüber kannst du ruhig ehrlich sein... Der Tod deines Vaters, des großen Jeffrey J. Baily kommt dir doch hervorragend zu Pass..."
"Das ist nicht wahr!"
"Du hast das geschickt eingefädelt, Francine..."
"Gar nichts habe ich eingefädelt!"
Bellinda verzog das Gesicht. "Die Aufregung wird sich wohl bald wieder legen, nicht wahr? Damit rechnest du doch - und wahrscheinlich rechnest du damit auch richtig, denn die Polizei hat nicht genügend Beweise gegen dich - nur Indizien. Und wenn es dann doch zum Prozess kommen sollte, haben wir ja den ausgezeichnenen Mr. Lamont!"
Francine war empört. "Es reicht jetzt, Bellinda!"
"Das finde ich auch, Francine!"
"Du bist ja betrunken!"
"Nur ein bisschen. Ein ganz kleines bisschen - lange nicht genug, um nicht klar denken zu können!"
"Bellinda!"
Sie lachte nur und trank dann den Rest des Glases aus. Dann ging sie zu einer Anrichte, wo die die Flasche stand. Sie schenkte sich nach.
"Du willst doch nicht ernsthaft behaupten, dass du deinen Vater nicht umgebracht hast, Francine!"
"Es ist aber die Wahrheit!"
"So? Was du nicht sagst..."
"Und ich werde sie auch irgendwann beweisen können... Dann nämlich, wenn der wahre Täter gefasst wird!"
"Ach komm..."
"Oder die Täterin."
Plötzlich schien Bellinda völlig nüchtern zu sein.
Ihr Blick war jetzt eisig. Kein überbreites Lächeln mehr, wie es sonst für sie kennzeichnend war.
Dann zischte sie: "Du solltest wissen, wo deine Verbündeten sind, Francine."
"Wen meinst du damit?", fragte Francine zurück. "Dich vielleicht? Oder Colin?"
"Natürlich! Wir sind immer auf deiner Seite, ganz gleich, was du auch getan haben magst..."
Francine fixierte ihr Gegenüber mit einem festen Blick.
"Ich bin mir nicht sicher, ob ihr wirklich auf meiner Seite seid, Bellinda!"
Bellinda zuckte mit den Schultern. Sie musterte Francine mit einem kühlen, fast verächtlichen Blick. Dann meinte sie: "Ich weiß nicht woran es liegt, aber wir scheinen uns nicht besonders zu verstehen."
Francine nickte.
"Ja, das stimmt. Das ist mir auch schon aufgefallen."
"Wenn wir zusammen im Raum sind, dann knistert es eben..."
"Von meiner Seite aus bin ich nicht an Streit interessiert, Bellinda! Mit niemandem!"
Bellinda grinste breit. "Kann ich verstehen..."
"Was soll das nun wieder?"
"Eine Art Burgfrieden sozusagen, nicht
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