Haus der Sonne
Ich wollte es eigentlich nicht zugeben, aber ich fühlte mich wohl. Irgendwie mochte ich Scott - obwohl ich wußte, daß er Konzern-Stahl unter seiner Alter-Junge-Schale hatte -, und mir gefiel die Vorstellung eine Limousine mit Chauffeur zur Verfügung zu haben. Aber...
Aber ich mußte meine Paranoia wachhalten. Trotz aller Ausschmückungen handelte es sich hier nicht um einen Urlaub, sondern ums Geschäft. Und, was noch schlimmer war, ich tappte hinsichtlich der meisten Details, die dieses Geschäft beinhaltete, im dunkeln. Ich wußte nicht, wen ich treffen sollte und warum. Ich wußte nicht, wie es danach weitergehen sollte. Und ich wußte nicht, wer oder was ein Interesse daran hatte, sich zwischen mich und den Zweck des ganzen Unternehmens zu stellen. Ich befand mich nicht auf meinem gewohnten Territorium - das mußte ich mir immer wieder einschärfen - und spielte auf dem Hof anderer Leute und außerhalb meiner Sicherheitszone. Wer weiß: Vielleicht würde alles so glatt abgewickelt wie Kunstseide. Ich liefere die Botschaft ab, erhalte vielleicht noch eine Antwort, dann kutschiert mich Scott zum Flughafen zurück, und ich fliege nach Cheyenne zurück. Aber wenn nicht und ich mich plötzlich als Leiche wiederfand, weil ich keine Vorsichtsmaßnahmen ergriffen hatte, war mir nicht mal die Genugtuung vergönnt, Barnard bis in alle Ewigkeit als Geist heimzusuchen. Es wäre meine Schuld, nicht seine. Ich war exponiert - das durfte ich nicht eine Sekunde lang vergessen. Und ich mußte tun, was ich konnte, um diesen Zustand zu minimieren. Was mich daran erinnerte ...
»Scott.«
»Ja, Mr. Dirk?«
»Ich war gezwungen, einige... persönliche Besitztümer... auf dem Festland zurückzulassen, wenn Sie wissen, was ich meine.« Sein Nacken legte sich in Falten, und ich wußte, daß er wie ein Bandit grinste. »Ich will dieses Problem aus der Welt schaffen. Können Sie mir helfen?«
»Sie brauchen das wirklich nicht, wissen Sie?« Er klopfte mit dem Knöchel gegen sein Seitenfenster. »Haben Sie eine Ahnung, was nötig ist, um dieses Zeug hier zu durchschlagen?«
So leicht würde ich mich nicht abwimmeln lassen. »Trotzdem. Nennen Sie es einen Glücksbringer... wie ein Hasenpfote. Ich würde mich ohne einfach nicht wohl fühlen.«
Daraufhin lachte er laut auf. »Ja, eine Neun-Millime-ter-Hasenpfote, möchte ich wetten.« Er beruhigte sich schnell wieder. »Okay. Null Problemo, Bruder, ich kann Ihnen helfen.« Er sah sich wieder kurz zu mir um. »Und ich beschaffe Ihnen auch ein paar passende Klamotten. Okay?«
»Ich hatte schon immer eine besondere Vorliebe für Kevlar«, sagte ich zu ihm, »wenn Sie es in einer meiner Farben bekommen können.«
Vor uns, vor dem Hintergrund der Schwärze des Himmels, konnte ich die erleuchteten Zikkurats der Wolkenkratzer erkennen. Plötzlich erlebte ich einen dieser Augenblicke der Desorientierung. Ich hätte ebenso- gut über den Highway 5 in Richtung Seattier Innenstadt wie über die Hawai'ier Route 1 fahren können. Im Dunkeln sehen die meisten Städte gleich aus.
Wiederum schien Scott meinen unausgesprochenen Gedanken zu erraten. »Schade, daß Sie den Nachtflug nehmen mußten. Das ist eigentlich ein ganz netter Ausblick von hier aus - man bekommt einen guten Eindruck von der Stadt, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Wie ist denn Honolulu?« fragte ich ihn. »Schließlich leben Sie in der Stadt, oder nicht?«
»Ja, ich wohne im Nebula-Komplex.« Er zuckte die Achseln. »Es ist eben eine Stadt. Sie hat ihre guten Seilen, und sie hat ihre schlechten Seiten. Gegenden, die Sie ich nicht entgehen lassen sollten, und Gegenden, in denen Sie nicht begraben sein wollen. Sie hat ihre Pinkel, sie hat ihre Burakumin« - er benutzte den japanischen Ausdruck für die Heimat- oder Besitzlosen, ein beleidigendes Wort, das unter Pinkeln immer häufiger als Bezeichnung für Leute ohne Konzernzugehörigkeit benutzt wurde -, »und sie hat ihre Touristen.« Er lachte, »B rüder, und wie sie ihre Touristen hat.«
»Hochrangige Konzerntypen?«
»Die meisten, ja. Ganze Schwärme, die aus Asien rü-berkommen, und einige aus Europa. Aber es gibt auch noch die Mama-und-Papa-Typen, die jahrelang gespart haben, um einmal herzukommen und eine Zeitlang mit dem Geld herumzuschmeißen.«
»Das fördert doch die Wirtschaft, oder nicht? Der Tourismus?«
»Das behaupten jedenfalls die Reiseführer auf dem Festland«, stimmte er zu. »Aber zum größten Teil wird die Wirtschaft von den Konzernen gefördert,
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