Haus der Sonne
Wikanikanaka - das heißt ›Ork‹. Sie werden sich daran gewöhnen.
Jedenfalls«, fuhr er fort, als er sich wieder auf das Thema besann, »wie ich schon sagte, niemand redet über die eigentliche Abspaltung.«
»Als gäbe es einiges, von dem sie nicht wollen, daß andere es erfahren?«
»Vielleicht. Oder vielleicht auch einiges, woran sie sich nicht erinnern wollen.«
»Wie zum Beispiel?«
Der Ork, dem offenbar ein wenig unbehaglich war, zuckte die Achseln. »Manchmal hört man Geschichten«, sagte er vage. »Alte Leute reden manchmal... aber dann fragt man nach Einzelheiten, und sie verschließen sich.« Er hielt inne. »Wenn man mit genügend Leuten redet, hört man echt abgefahrenes Zeug. Von Drachen, zum Beispiel. Und gewaltigen Gewittern - unnatürlichen Gewittern -, die von Puowaina heraufgezogen sind. Das ist ein Krater im Norden der Stadt. Und von irren Sachen, die im Haleakala-Vulkan auf Maui abgelaufen sein sollen. Kukae, ein alter Penner, hat mir mal erzählt, er hätte was Großes - was echt Großes - im Wasser vor Pearl Harbor gesehen, direkt neben dem Denkmal für das alte Schlachtschiff Arizona. Er sagte, was es auch war, es wär' größer als das Schlachtschiff gewesen und hätte ihn mit Augen so groß wie Basketbälle angestarrt.« Er zuckte wiederum die Achseln. »Glauben Sie von dem Kanike, soviel sie wollen. Ich kenne die Antworten auch nicht.«
Er faltete seine Serviette und legte sie auf den Tisch. »Und jetzt essen Sie auf und lassen Sie uns abschwirren, Hoa, in Ordnung?«
6
Ich wartete in der Eingangshalle, während Scott den Phaeton aus dem unterirdischen Parkhaus holte. Der große Rolls hielt lautlos vor mir an, und die hintere Tür öffnete sich.
Ich bedeutete ihm ›nein‹, indem ich meine Handkanten kreuzte wie Karatekämpfer, die einander begegneten. Scotts Stimme ertönte aus einem Außenlautsprecher. »Probleme, Mr. Dirk?«
»Ich will nicht in dem Laufstall fahren«, erklärte ich -wobei ich mir ein wenig albern vorkam, weil ich mit einem Wagen redete, der sich so sichtlich abweisend gab. »Haben Sie irgendwas gegen Gesellschaft vorne einzuwenden?«
Ich hörte den Ork kichern, ein Geräusch, das über die Lautsprecher ein wenig blechern klang. »Ihre Entscheidung, Bruder, aber Sie sorgen noch dafür, daß ich vergesse, daß ich hier nur der Chauffeur bin.« Die hintere Tür schloß sich wieder, und die Vordertür klickte leise. Ich ging um den Wagen herum, stieg ein und gab mir alle Mühe, die Tür zuzuknallen, aber das Ergebnis war nur ein leises Klick. Wie erwartet, war die Fahrerkabine nichts im Vergleich zu dem Salon hinten, aber sie war immer noch komfortabler und besser eingerichtet als einige meiner früheren Behausungen.
Scott grinste mich an. Das haardünne Glasfaserkabel, das seine Datenbuchse mit der Steuereinheit verband, schien in der Sonne zu glühen. »Okay, Mr. Dirk, wollen Sie was Bestimmtes sehen?«
Ich zuckte die Achseln. »Sie sind der Kama'aina«, sagte ich. »Sie sagen mir, was ich sehen sollte.«
Sein Grinsen wurde breiter. »Schon begriffen, Hoa.« Auf ein geistiges Kommando des Orks setzte sich der Rolls in Bewegung. »Irgendwelche Einwände gegen etwas Musik? Einheimisches Zeug.«
Ich zuckte die Achseln. »Solange es nicht ›Aloha Ohe‹ ist.«
Darüber mußte er lachen. »Nicht in diesem Wagen, darauf können Sie Gift nehmen. Haben Sie je traditionellen Slack-Key gehört?« Ich schüttelte den Kopf. »Dann können Sie das jetzt nachholen.« Während sich Scott gemütlich zurücklehnte und die Arme verschränkte, schaltete sich die Stereoanlage ein und das Wageninnere war plötzlich von Musik erfüllt.
Ich hatte schon immer eine Vorliebe für Musik - echte Musik, für die man eine Begabung braucht, Musikalität, nicht den Drek, den jeder mit einem Synthesizer herausleiern kann. Vorzugsweise für alten Blues und traditionellen Jazz, aber ich bin nicht festgelegt. Drek, gelegentlich höre ich sogar Country. Slack-Key war etwas Neues - akustische Gitarren, unterschiedlich gestimmt und mit virtuosem Fingerpicking gespielt. Von der Technik her so ähnlich wie Bluegrass, aber mit eigenem Sound und eigenem Feeling.
»Gefällt es Ihnen?«
»Es gefällt mir«, bestätigte ich. »Davon hätte ich gern etwas für meine Sammlung. Wer sind die Musiker?«
»Eine alte Gruppe. Sie haben die Scheibe schon vor der Jahrhundertwende aufgenommen. Kani-alu nennen sie sich. Keiner von ihnen ist noch am Leben. Sie sind alle an Altersschwäche oder an der VITAS
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