Haus der Sonne
entgangen war - und in das Atrium des Hauses.
Und ›Atrium‹ ist genau das richtige Wort. Das Haus war im Stil einer römischen Villa mit einem offenen Mittelbereich angelegt. Ich nehme an, ich erwartete etwas mehr in Richtung eines japanischen Steingartens mit Fischteich und Koi. Falsch, Chummer. Keine Steine im Sand, keine genetisch veränderten Karpfen. Das Atrium war mit Marmor eingefaßt und enthielt eine Reihe von Bänken sowie eine Handvoll Statuen im klassischen Stil. (Plötzlich fiel mir der architektonische Garten im Hintergrund von Barnards Telekombild ein. Teilten sich er und Tokudaiji denselben Innenarchitekten oder was?) Im grellen hawai'ianischen Sonnenlicht strahlte der weiße Marmor geradezu.
Unser Samurai-Führer wandte sich nach links durch einen... nun, wäre dies eine Kirche gewesen, hätte ich es Kreuzgang genannt - ein Gang, der nach der Seite zum Atrium hin offen war. (Seltsame Mischung aus Stilen und Symbolen in diesem Haus. Aber irgendwie schienen sie zu verschmelzen, und die Verbindung klappte.) Aus dem Nichts erschienen zwei weitere Samurai, die Scott und mir in einigen Schritten Abstand folgten. Wiederum waren keine Waffen zu sehen. Doch wiederum überzeugte mich ihre Körperhaltung davon, daß sie keine Waffen brauchten, um mit allem fertigzuwerden, was unterhalb eines verdammten Dzoo-noo-qua rangierte.
Den halben Kreuzgang entlang spielten wir Folgt-dem-Führer, bis wir nach links abbogen und durch eine weitere massive Holztür gingen. (Keine Chrysanthemen auf dieser, als hätte das eine Rolle gespielt.) In dem Raum dahinter - einem kleinen Vorzimmer in gedämpften Farben, sehr ernst, sehr elegant - erwarteten uns zwei weitere Anzug-Samurai. Die beiden neuen zückten Scanner und tasteten jeden Zentimeter meines Körpers ab. Dabei waren sie sehr höflich - so höflich, wie man eben sein kann, wenn man so etwas tut - und murmelten ständig: »Sumimasen, chotto, entschuldigen Sie bitte.« Nicht einmal berührten sie mich - kein Abklopfen, keine Durchsuchung meiner Taschen. Der Vorgang dauerte ein paar Minuten, und augenscheinlich waren sie mit dem Ergebnis zufrieden und zuversichtlich, daß ich keine Kanone im linken Ohr oder eine Handgranate in der Wange versteckt hatte. Beide Samurai verbeugten sich förmlich und mit einem letzten ›Sumimasen ‹ und konzentrierten ihre Aufmerksamkeit auf einen resigniert dreinschauenden Scott.
Seine Befürchtungen hinsichtlich einer Leibesvisitation waren unbegründet - sie berührten ihn nicht einmal. Zugegeben, sie waren ein wenig zudringlicher im Hinblick darauf, wie nah sie ihm mit den Scannern kamen, und er bekam auch kein einziges ›Sumimasen ‹ zu hören, aber der Vorgang hatte nichts Auf- und Eindringliches an sich. Einer der Samurai, ein älterer Bursche mit stellenweise ergrautem Haar und hohlen Wangen entwickelte ein besonderes Interesse für die Anstecknadel, die Scott in seinem Revers trug. Für mich sah sie wie ein hawai'ianisches Götzenbild aus, ein dickbäuchiger kleiner Bursche mit großen, geweiteten Augen aus Sterling-Silber. Der alte Samurai tastete die Anstecknadel nicht mit seinen Detektoren ab, sondern starrte sie lediglich eine Zeitlang mit einem leicht verwirrten Stirnrunzeln an. Dann zuckte er die Achseln und setzte seine Untersuchung fort. Ich warf Scott einen fragenden Blick zu. Der große Ork zuckte ebenfalls nur die Achseln.
Schließlich war das Abtasten und Untersuchen vorbei, und die Tür auf der anderen Seite des Vorzimmers schwang auf. Einer der Armante-Samurai bedeutete uns hindurch. Während ich vortrat, bezog Scott wieder links und einen Schritt hinter mir Stellung. Ich trat durch die Tür...
Und blieb wie angewurzelt stehen. Ich bin schon immer auf Bücher abgefahren. Echte Bücher, diejenigen aus Papier und Druckerschwärze, diejenigen, die man in den Händen halten kann, diejenigen, die gebunden sind und einen Einband haben. (Sicher, ich weiß, es ist der In-halt, der zählt - man kann ein Buch nicht nach seinem Äußeren beurteilen, drekcetera - aber wenn Sie das schiere, sinnliche Vergnügen, ein Buch zu öffnen und darin zu blättern, bisher noch nicht verstanden haben, werden Sie es wahrscheinlich nie tun... und nie wissen, was Ihnen entgeht.) Als Bibliophiler ist es immer schon mein Traum gewesen, eine Bibliothek zu haben - einen Raum, der ausschließlich Büchern gewidmet ist. Wenn ich mir diesen Raum vorstellen müßte, hätte er ein paar große Fenster für natürliches Licht, aber jeder andere
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