Haus der Sünde
Kind benehmen, das ein paar Süßigkeiten mitgehen ließ.
Das hübsche Zimmer um ihn herum war ihm nur insoweit bekannt, als er hier am Abend zuvor eingeschlafen war. Er wusste, dass es sich um Claudias Haus handelte. Deutlich
konnte er sich daran erinnern, wie er am Abend zuvor hier eingetroffen war. Er dachte an den Sturm und die grauenvolle, geradezu hysterische Panik, die ihn wie ein Tier und nicht wie ein vernünftiger Mensch auf die Gewalt der Elemente hatte reagieren lassen. Er erinnerte sich an Claudias Wärme und Freundlichkeit und an sein sofortiges und ziemlich beunruhigendes Verlangen nach ihr.
Doch sobald er versuchte, sich vorzustellen, was außerhalb dieses Zimmers und des Hauses lag, gewannen die Angst und das Gefühl der tiefen Verwirrung erneut die Oberhand. In seinem Kopf schienen nur verwirrende Fragmente vorhanden zu sein, und die meisten davon waren erschreckenderweise mit Qual und Leid verknüpft.
Nur eine Erinnerung hatte etwas Beruhigendes. Er dachte daran zurück, wie er sich an einem Fluss befand und das Sonnenlicht auf dem dahinströmenden Wasser hatte funkeln sehen. Mit diesem Bild des tanzenden Lichts verband er ein seltsam erotisches Gefühl. Er hatte das Bedürfnis zu lachen, hielt jedoch noch rechtzeitig die Hand vor den Mund, um seine hübsche Claudia nicht aus ihrem Schlaf zu reißen. Erneut musste er lächeln, denn er dachte daran, was er an diesem Fluss getan und gefühlt hatte.
Es war seltsam, dass Sex etwas so Klares, so Beständiges, so Beruhigendes in seinem Leben war, wenn doch alles andere augenblicklich – und auch schon zuvor – höchstens flüchtig und im schlimmsten Fall sogar nicht existent für ihn war. Wenn er sich aber der Lust hingab – und wenn er sie jemandem anders schenkte, wie er sich eingestand -, dann besaß er Gewicht, dann war er er selbst. Ein Mann. Ein Mensch. Selbst wenn er keine Ahnung hatte, wer er wirklich war.
Er schlug die Hände vors Gesicht. Eines hatte er während der letzten verwirrenden und eigenartigen Stunden gelernt: Wenn er gedrängt wurde und verzweifelt versuchte, sich zu erinnern,
dann fühlte er sich immer schlechter und wurde unerträglich müde. Erschöpfung breitete sich plötzlich erneut in ihm aus, und da er in diesem weichen, einladenden Bett lag, schien es keinen Grund zu geben, sich im Geringsten dagegen zu wehren.
Im Augenblick hatte er vor der Bewusstlosigkeit des Schlafes weniger Angst als sonst. Er legte sich wieder hin und wandte den Kopf auf dem Kissen der Frau zu, die im wahrsten Sinn des Wortes seine Retterin gewesen war.
Er mochte vielleicht keinen Namen haben, aber wenigstens war er jetzt nicht mehr allein.
»Claudia«, flüsterte er und ließ sich dann in einen beruhigenden und erfrischenden Schlaf gleiten.
Kapitel 4
Gast des Hauses
Claudia hatte, sobald sie die Augen aufgeschlagen hatte, all ihre Kraft und Selbstbeherrschung benötigt, um den Mann neben ihr nicht zu wecken.
Als ein besonders starker Sonnenstrahl auf ihr Gesicht gefallen war, hatte das Licht sie aufgeweckt. Sie lag für einige Sekunden regungslos da und fragte sich, ob ihr die Sinne vielleicht etwas vorgaukelten. Dann kniff sie sich in den Schenkel anstatt den des Engels zu berühren, der neben ihr im Bett lag.
Ihr schöner junger Fremder – mein Liebhaber, dachte sie und ließ das süße Wort genüsslich leise über ihre Zunge rollen – hatte sich auf seiner Seite des Bettes ausgestreckt. Sein Haar war zerzaust, und auf seinem glatten, blassen Gesicht lag ein leichtes Lächeln. Er schlief tief und war auch nicht von Claudias Bewegungen aufgewacht. Während sie ihn betrachtete, wurde ihr klar, welch ein Bild unschuldiger Verführung er darstellte. Sie musste sich noch einmal kneifen, um sich auch wirklich sicher zu sein, dass es ihn gab.
Du bist letzte Nacht in mir gewesen, sagte sie im Stillen zu ihm. Du hast mich berührt. Du hast mich geliebt. Ich bete dich an.
Oje. Das ist doch viel zu übertrieben und geht zu schnell, fuhr sie in Gedanken fort. Sie war inzwischen aufgestanden und hatte leise ein paar frische Kleidungsstücke für den Fremden herausgesucht, die sie nun neben ihn auf einen Stuhl legte. Zum Glück war ihr junger Liebhaber von ähnlicher Statur wie ihr Gerald, und obwohl ihr verstorbener Mann bereits Mitte
Fünfzig gewesen war, hatte er, was Klamotten betraf, noch den Geschmack eines viel Jüngeren gehabt – von seinem attraktiven und jung gebliebenen Äußeren einmal ganz zu schweigen. Da Claudia es noch nicht
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