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Haus der Sünde

Haus der Sünde

Titel: Haus der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Costa
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herauszuholen. Es war eine Uhr – eine alte Taschenuhr, um genau zu sein. Auch hierbei handelte es sich um ein kostbares Stück, da sie ihrer Ansicht nach aus echtem Gold war. Weder in den Taschen des Gehrocks noch in denen der Hose oder der Weste fand sich irgendetwas, was den Fremden hätte identifizieren können. Vielleicht war er überfallen und ausgeraubt worden, wobei die Diebe dann offenbar die versteckte Uhr, die bestimmt sehr wertvoll war, übersehen hatten. Sie musste sich irgendwie verfangen und von ihrer Kette gelöst haben.
    Neugierig öffnete Claudia den kleinen Deckel. Sie musste lächelte, als die zarte Melodie des Walzers ›An der schönen, blauen Donau‹ erklang. Interessiert drehte sie die Uhr um und stellte plötzlich fest, dass diese eine Inschrift trug:
    Für meinen geliebten Sohn Paul zu seinem einundzwanzigsten Geburtstag. In Liebe, Dein Vater.
    Paul! Ihr neuer Liebhaber hieß also Paul.
    »Paul. Oh, Paul«, flüsterte sie und wünschte sich, dass die
Uhr verzaubert sei und sie zu jenen herrlichen Stunden zurückbringen konnte, die sie in der letzten Nacht gemeinsam erlebt hatten. Dann würde sie ›Paul …‹ seufzen, während ihr geheimnisvoller Geliebter in sie drang. Dann könnte sie ›Paul‹< stöhnen, während er sie so unvergleichlich liebkoste, dass sie mehrmals hintereinander kam. Sie hätte ›Paul!‹ jubilieren können, als sie gemeinsam den Höhepunkt erreichten.
    Ein plötzliches »Hallo!« und ein Klopfen hätte Claudia die Uhr vor Schreck beinahe fallen lassen. Sie stopfte sie rasch in die Tasche ihrer Jeans, und da erschien auch schon eine ihr bekannte Gestalt in der offen stehenden Küchentür.
    Melody Truebridge war jene Freundin, die voll herzlicher Liebenswürdigkeit Claudia durch die erste Zeitspanne ihrer Witwenschaft begleitet hatte. Nun versuchte sie immer wieder, sie für die Freuden, die das Leben bereithalten konnte, von Neuem empfänglich zu machen. Es war die Ironie des Schicksals, dass Melodys Versuche, ganz gleich, wie gut sie auch gemeint waren, alle fehlgeschlagen waren, Claudia aber nun in der vergangenen Nacht genau dieses Ziel erreicht hatte, und zwar auf eine beinahe unwirkliche Weise.
    »He, was ist denn das?«, wollte Melody wissen, trat auf Claudia zu und zog ein wenig vorwurfsvoll an dem eng anliegenden, cremefarbenen T-Shirt, das diese zu ihren Jeans trug. »Ich dachte, wir wollten uns mal so richtig aufmotzen und einen Tag lang die Läden unsicher machen?« Melodys glattes, junges Gesicht war stark geschminkt und ihr platinblondes Haar so geschnitten, dass es wie ein kleiner Helm auf ihrem Kopf saß. Sie sah wie immer perfekt gestylt aus. Ihr Kostüm wirkte teuer und exklusiv, und ihre Schuhe waren zwar hochhackig, aber vor allem höchst elegant.
    Fast wie eine Uniform, dachte Claudia säuerlich und wünschte sich für einen Moment, dass Richard, Melodys Ehemann, endlich einmal aufhören würde, seine Frau als einen
Teil seiner Geschäftsinteressen zu betrachten. Er zeigte sich stets höchst kritisch, wenn Melody einmal nicht absolut perfekt aussah und auch so auftrat.
    »Und?«, bohrte Melody nach.
    »Es tut mir Leid. Ich hatte das ganz vergessen«, erwiderte Claudia und lächelte verschämt. Sie musste einen schlechten Eindruck auf Melody machen, da sie nicht nur die Ehe ihrer Freundin alles andere als gut hieß, sondern nun auch noch eine Beschäftigung gefunden hatte, die wesentlich aufregender war als jeder Einkaufsbummel.
    »Ist bei dir alles in Ordnung, Claudia?«, erkundigte sich Melody und schaute sie mit ihren penibel geschminkten Augen aufmerksam an, während sie sich am Küchentisch niederließ.
    »Ja, es geht mir gut. Ich musste bloß gerade an etwas denken«, erwiderte Claudia hastig und bemerkte dann, dass sie noch immer den samtenen Gehrock in ihren Händen hielt. »Etwas Unerwartetes ist geschehen.«
    »Etwas Unerwartetes?«, wiederholte Melody, deren Blick sogleich schärfer wurde. Trotz ihrer sanften und freundlichen Art konnte man der jüngeren Frau nämlich nichts vormachen; sie durchschaute jede kleine Schwindelei. »Und was hast du da über dem Arm?«, fügte sie hinzu, streckte die Hand aus und strich über den Stoff der Jacke. »Es sieht überhaupt nicht nach etwas aus, was Gerald getragen hätte. Ist das ein Kostüm oder so?«
    Claudia befand sich in einer Zwickmühle. Was konnte sie Melody sagen? Konnte sie ihr wirklich die ganze Geschichte erzählen? Sie hatten so Vieles miteinander geteilt. Sie kannte die Freuden

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