Haus der Vampire 01 - Verfolgt bis aufs Blut-ok
sah aus wie die Filmkulisse für einen Streifen über den Amerikanischen Bürgerkrieg. Dicke gräuliche Säulen. Breites Portal. Zwei Geschosse mit großen Fenstern.
Das Haus war riesig. Na ja, vielleicht nicht riesig , aber größer, als Claire es sich vorgestellt hatte. Groß genug für eine Studentenverbindung und wahrscheinlich bestens dafür geeignet. Sie konnte sich vorstellen, dass über der Tür griechische Buchstaben hingen.
Es sah wie ausgestorben aus, aber man musste sagen, dass alle Häuser dieses Blocks wie ausgestorben aussahen. Es war später Nachmittag, alle waren noch bei der Arbeit. Ein paar Autos glitzerten in der glühenden Sonne, ihr Lack war durch eine Schmutzschicht gedämpft. Aber keine Autos vor der 716.
Was für eine bescheuerte Idee , dachte sie und da waren sie wieder, diese Tränen, die zusammen mit Panik in ihr aufstiegen. Was sollte sie jetzt tun? Zur Tür gehen und darum betteln, hier einziehen zu dürfen? Wie erbärmlich war das denn! Sie würden sie bestenfalls für armselig halten, schlimmstenfalls für irre. Nein, es war allein schon eine blöde Idee gewesen, das Geld für das Taxi zu verpulvern.
Es war heiß und sie war erschöpft und alles tat ihr weh und sie hatte noch Hausaufgaben zu erledigen und keinen Platz zum Schlafen und plötzlich war es einfach zu viel.
Claire ließ ihren Rucksack fallen, vergrub ihr malträtiertes Gesicht in beiden Händen und begann, wie ein Baby zu schluchzen.
Blöde Heulsuse , würde Monica jetzt vielleicht sagen, dachte Claire, aber das ließ sie nur noch lauter schluchzen und plötzlich erschien ihr die Vorstellung, nach Hause zu gehen, nach Hause zu Mom und Dad und zu dem Zimmer, das, wie sie wusste, dort auf sie wartete, besser als alles andere, besser als alles hier draußen in dieser Furcht einflößenden, verrückten Welt...
»Hey«, sagte eine Mädchenstimme und jemand berührte sie am Ellbogen. »Hey, alles in Ordnung?«
Claire schrie auf und machte einen Satz, landete hart auf ihrem gezerrten Knöchel und wäre fast hingefallen. Das Mädchen, das sie erschreckt hatte, streckte die Hand aus und griff nach ihrem Arm, um sie zu stützen, wobei sie selbst auch aufrichtig erschrocken aussah. »Tut mir leid! Meine Güte, ich bin so ein Trampel. Bist du okay?«
Das Mädchen war nicht Monica oder Jen oder Gina oder irgendjemand anderes, den sie auf dem Campus der TPU gesehen hatte; dieses Mädchen war ziemlich Gothic. Nicht auf unangenehme Weise - sie hatte nicht dieses verdrießliche Ich-bin-so-cool-dass-es-schon-wieder-cool-ist-Gehabe der meisten Goths, die Claire in der Schule gekannt hatte - aber das schwarz gefärbte, zottelige Haar, das bleiche Make-up, die dicken Lidstriche und die schwere Wimperntusche, die rot-schwarz geringelten Strümpfe und die klobigen Schuhe, der schwarze Faltenminirock… ganz offensichtlich ein Fan der dunklen Seite.
»Ich heiße Eve«, sagte das Mädchen und lächelte. Sie hatte eine liebe, eine lustige Art zu lächeln, ein Lächeln, das dazu einlud, gemeinsam über einen Insider-Witz zu lachen. »Ja, stell dir vor, meine Eltern haben mich wirklich so genannt. Es ist, als hätten sie schon gewusst, was aus mir wird.«
Ihr Lächeln erlosch und sie betrachtete aufmerksam Claires Gesicht. »Wow. Große Güte, was für ein Veilchen. Wer hat dich geschlagen?«
»Niemand«, sagte Claire rasch, ohne überhaupt darüber nachzudenken, warum, auch wenn sie wusste, dass Gothic Eve auf keinen Fall zum Gefolge der adretten Monica gehören konnte. »Ich hatte einen Unfall.«
»Yeah«, stimmte Eve sanft zu. »Ich hatte diese Art von Unfall auch oft, bin in Fäuste gefallen oder so. Wie ich schon sagte, ich bin ein Trampel. Bist du okay? Brauchst du einen Arzt oder so? Ich kann dich fahren, wenn du willst.«
Sie machte eine Geste zur Straße hin und erst jetzt bemerkte Claire, dass eine uralte Kiste von Cadillac - mit Heckflossen und allem - am Bordstein angehalten haben musste, als sie sich die Augen ausgeheult hatte. Ein heiter aussehender Totenschädel baumelte am Rückspiegel und Claire zweifelte nicht daran, dass die hintere Stoßstange mit Aufklebern von Emo-Bands zugepflastert war, von denen niemals jemand etwas gehört hatte.
Sie hatte Eve bereits ins dem Herz geschlossen. »Nein«, sagte sie und fuhr sich ärgerlich mit dem Handrücken über die Augen. » Ich, äh - weißt du, es tut mir leid. Ich hatte echt einen miesen Tag. Ich bin wegen des Zimmers gekommen, aber...«
»Richtig, das Zimmer!« Eve
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