Haus der Vampire 02 - Der letzte Kuss-ok
Shane.
Gretchen lachte. »Ein Wölfchen«, sagte sie. »Oh, er ist so süß, Hans. Darf ich ihn haben? Schließlich ist er doch ein Streuner.«
Einer der uniformierten Cops räusperte sich. »Ma’am? Tut mir leid, aber ich kann das nicht genehmigen. Sie können die Papiere einreichen, ich werde sehen, was sich machen lässt, aber...«
Gretchen gab einen enttäuschten Laut von sich und kam wieder auf die Beine. »Papiere. Pfffh. Früher hätten wir ihn wegen Anmaßung erlegt wie einen Hirsch.«
»Früher wären wir fast verhungert, Gretchen«, sagte Hans. »Erinnerst du dich noch? Die Winter in Bayern? Lass ihn weiterjaulen.« Er zuckte die Achseln und schenkte Eve und Claire ein Lächeln, das etwas weniger furchterregend war als zuvor. »Tut mir leid. Gretchen hat sich da ein wenig hinreißen lassen. Nun, ihr seid also sicher, dass keiner von euch die Eindringlinge kennt? Morganville ist keine besonders große Stadt. Das schweißt zusammen, vor allem die menschliche Gemeinde.«
»Fremde«, sagte Eve. »Es könnten Fremde gewesen sein. Vielleicht waren sie... auf der Durchreise.«
»Durchreise«, wiederholte Hans. »Nicht viele Leute reisen zufällig hier durch. Nicht einmal Biker-Gangs.« Er studierte abwechselnd ihre Gesichter, und als sein Blick auf Claire fiel, hatte sie das Gefühl, als würde er sie röntgen. Bestimmt konnte er nicht wirklich ihre Gedanken lesen, oder doch? Zuletzt richtete er seinen unbeweglichen dunklen Blick auf Shane. »Name?«
»Shane«, sagte er. »Shane Collins.«
»Du hast Morganville vor ein paar Jahren zusammen mit deiner Familie verlassen, richtig? Warum bist du zurückgekommen?«
»Mein Freund Michael brauchte einen Mitbewohner.« Shanes Blick flatterte und Claire bemerkte, dass er gerade einen Fehler gemacht hatte. Einen Riesenfehler.
»Michael Glass. Ah, ja, der mysteriöse Michael. Ist nie da, wenn man tagsüber vorbeischaut, nachts aber immer. Sag mir, ist Michael ein Vampir?«
»Wüssten Sie das dann nicht?«, schoss Shane zurück. »Wie ich vor Kurzem gehört habe, wurde in den letzten fünfzig Jahren oder noch länger niemand mehr zum Vampir gemacht.«
»Stimmt.« Hans nickte. »Trotzdem ist das merkwürdig, oder? Dass sich euer Freund so rar macht?«
Sie wussten es. Jedenfalls wussten sie etwas. Claire nahm an, dass Oliver keinen Grund hatte, Geheimnisse für sich zu behalten, insbesondere Michaels Geheimnisse. Er hatte wahrscheinlich schon bei all seinen Speichelleckern ausgeplaudert, dass Michael ein Geist war, ein Gefangener zwischen den Welten – kein richtiger Vampir, kein richtiger Mensch, kein richtiges Irgendwas.
»Es ist Nacht«, bemerkte Gretchen. »Wo ist er also? Euer Freund?«
Shane schluckte und die Welle der Trauer, die über ihn hinwegschwappte, war kaum zu übersehen. »Er ist ganz in der Nähe.«
»Was genau bedeutet ›ganz in der Nähe‹?«
Claire und Eve tauschten einen furchtsamen Blick aus. Shane dachte noch immer, Michael sei tot, im Hinterhof begraben... und Michael war sehr bestimmt gewesen in Bezug darauf, dass Shane nichts wissen durfte...
»Ich weiß nicht«, sagte Shane. Seine Ohrläppchen wurden rot.
Hans, der Detective, lächelte langsam. »Du weißt nicht gerade viel, mein Sohn. Und doch siehst du mir nicht völlig verblödet aus. Wie kann das gehen? Hattest du dich im Zimmer versteckt, mit den Mädchen?« Er betonte das letzte Wort so, dass seine Vampir-Partnerin lachte.
Shane stand auf. Etwas Irres lag in seinen Augen und Claire fühlte, wie ihr Herz einen Schlag aussetzte, denn das war übel, ziemlich übel, da Shane bestimmt etwas schrecklich Unvernünftiges tun würde. Und es gab keine Möglichkeit für sie, ihn aufzuhalten...
»Suchen Sie mich?«
Alle drehten sich um.
Michael stand oben an der Treppe. Er zog gerade ein schlichtes schwarzes T-Shirt zu seinen Jeans an und sah aus, als sei er soeben aus dem Bett gekrochen. Claire sah, dass seine Füße wie immer nackt waren.
Shane setzte sich hin. Schnell und hart. Michael ließ sich Zeit, die Treppe herunterzukommen, wobei er sicherstellte, dass sich alle auf ihn konzentrierten und nicht auf Shane, sodass Shane Zeit hatte, seine Gefühle in den Griff zu kriegen – und das waren, wie Claire sich denken konnte, eine ganze Menge, die er da in weniger als dreißig Sekunden verarbeiten musste. Erleichterung natürlich, was einen Tränenschimmer in seine Augen zauberte. Und dann wurde er, wie zu erwarten war, sauer, weil, na ja, weil er ein Typ war, weil er Shane war,
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