Haus der Vampire 02 - Der letzte Kuss-ok
war langweilig und sie hatte sowieso schon alles gelesen, was auf dem Lehrplan stand. Deshalb vertrieb sich Claire die Zeit damit, ihre Gedanken in ihrem Heft festzuhalten. Viele davon drehten sich um Shane und um Shanes Lippen und um Shanes Hände. Und sie verwünschte die Tatsache, dass sie noch keine achtzehn war und dass das sowieso eine blödsinnige Regelung war.
Nach dem Unterricht dachte sie noch immer darüber nach, wie ungerecht das alles doch war – als sie auf Schwierigkeiten stieß.
Im wahrsten Sinne des Wortes.
Claire bog mit gesenktem Kopf um die Ecke und prallte gegen jemand Großen, Soliden, der sie sofort an den Schultern packte und heftig nach hinten schubste. Claire wäre fast aus dem Gleichgewicht geraten, kam aber schlitternd und zittrig zum Stehen, indem sie sich an der Wand abstützte. »Hey!«, brüllte sie, mehr aus Schrecken als aus Wut, aber dann holte ihr Gehirn ihre Augen ein und sie dachte Oh Shit! .
Es war Monica.
Monica sah blendend aus, perfekt, von ihrem schimmernden glatten Haar bis hin zu ihrem makellosen Make-up und dem süßen, trendigen, durchsichtigen Top, das sie über einem Babydoll-T-Shirt trug. Monica hatte keinen Rucksack dabei. Sie hatte eine Designertasche und sie musterte Claire von oben nach unten, wobei sich ihre geglossten Lippen verächtlich verzogen. Natürlich war sie nicht allein. Monica ging nirgendwohin ohne ihre Eskorte und heute war sie wie immer von zwei Mädels flankiert, Jennifer und Gina. Auch ein Rudel muskulöser Jungs, die meisten von ihnen irgendeine Art Sportler, hing mit ihnen herum.
Alle waren größer als Claire.
»Pass doch auf, Freak!«, sagte Monica und funkelte sie an. Und dann lächelte sie. Dadurch wirkten ihre hübschen Augen nicht weniger bedrohlich. »Oh, du bist das. Du solltest besser aufpassen, wo du hintrittst.« Sie wandte sich halb zu ihrer kleinen Schar von Fans um. »Arme Claire. Sie hat da irgend so ein Syndrom. Fällt Treppen runter, haut sich den Kopf an, fackelt fast ihr Haus ab...«Sie fasste Claire wieder ins Auge, als Jennifer und Gina kicherten. »Ist doch so, oder? Hat es bei euch zu Hause nicht gebrannt?«
»Ein bisschen«, sagte Claire. Tief in ihrem Inneren zitterte sie, aber sie wusste, dass sie viel Schlimmeres riskierte, wenn sie jetzt klein beigab. »Aber ich hab gehört, das kommt öfter vor, wenn du irgendwo vorbeischaust.«
Ein verhaltenes Oooooh ging durch Monicas Clique, ein Das-hat-sie-jetzt-nicht-wirklich-gesagt, das zwischen Anerkennung und gespannter Erwartung schwankte. Monicas Blick wurde kalt. Ähm.
»Komm mir jetzt nicht so, Freak. Ich kann nichts dafür, dass du mit einem Haufen Losern und Idioten zusammenwohnst. Wahrscheinlich hat diese Goth-Schlampe überall Kerzen angezündet. Sie ist eine wandelnde Feuergefahr, um nicht zu sagen ein Modedesaster.«
Claire biss sich auf die Innenseite der Lippen und schluckte ihre Antwort hinunter, mit der sie klarstellen wollte, wer die eigentliche Schlampe in diesem Gespräch war. Sie zog nur die Augenbrauen in die Höhe – wobei sie sich bewusst war, dass sie nicht gezupft oder gar perfekt oder so was Ähnliches waren – und lächelte so, als wüsste sie etwas, das Monica nicht wusste.
»Da ist sie nicht die Einzige. Ist das Top da nicht von Wal-Mart? Die Trailer Park Collection?« Sie wandte sich zum Gehen um, als Monicas Freunde erneut oooooh machten, dieses Mal mit einem Anflug von Gelächter.
Monica packte sie am Rucksack und riss sie aus dem Gleichgewicht. »Sag Shane einen Gruß von mir«, sagte sie und atmete heiß gegen Claires Ohr. »Sag ihm, es ist mir egal, wer den Waffenstillstand ausgerufen hat. Ich werde ihn kriegen, ebenso wie dich, und es wird ihm noch leidtun, dass er je was mit mir angefangen hat.«
Claire riss sich aus Monicas Hochglanzmaniküregriff und sagte: »Selbst wenn du die letzte Frau der Welt wärst und es um die Erhaltung der Spezies ginge, würde er dich nicht anrühren.«
Sie dachte schon, Monica würde ihre Augen mit diesen perfekt manikürten Krallen auskratzen, deshalb zog sie sich rasch zurück. Komischerweise ließ Monica sie gehen. Sie lächelte sogar ein wenig, aber es war ein merkwürdiges Lächeln, das Claires Magen einen kleinen Sprung machen ließ, als sie sich noch einmal umschaute.
»Tschüss dann«, sagte Monica. »Freak.«
Der Chemieunterricht hatte schon angefangen, als sich Claire atemlos auf einen freien Stuhl sinken ließ und ihren Laptop und ihre Texte auspackte. Sie hielt Ausschau nach
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