Haus der Vampire 03 - Rendezvous mit einem Unbekannten-ok
um zwei Uhr nachmittags ihr Handy. Sie war aufgestanden, um ins Bad zu gehen und sich dann eine Flasche Wasser zu holen. Zu essen wollte sie nichts. Ihr ganzer Körper fühlte sich schwach und misshandelt an. »Wo bist du?«, fragte eine Stimme am anderen Ende. Claire schielte auf die Uhr und strich sich mit der Hand durch ihr filziges, fettiges Haar.
»Wer spricht da?«
Im Hörer ertönte ein Seufzer. »Hier ist Jennifer, du Idiotin. Ich warte im Common Grounds auf dich. Tauchst du noch auf oder was?«
»Nein«, sagte sie, »ich bin krank.«
»Hör mal, selbst wenn du gerade im Sterben liegst, das ist mir total egal. Ich habe morgen eine Zwischenprüfung, die meine halbe Note ausmacht! Schwing deinen Hintern hier runter, aber ein bisschen plötzlich!«
Jennifer legte auf. Claire warf das Handy auf den Nachttisch, dass es schepperte, und setzte sich – beziehungsweise fiel – aufs Bett. Ich kann nicht. Ich möchte einfach nur schlafen, sonst nichts.
Jemand klopfte leise an die Tür, dann ging sie knarrend auf. Eve kam mit einem gesprungenen, abgenutzten Plastiktablett herein. Darauf befanden sich eine eiskalte, noch zischende Cola, ein belegtes Brötchen und ein Keks.
Und eine rote Rose.
»Iss«, sagte sie und ließ das Tablett auf Claires Schoß gleiten. »Oh, Mann, das muss ja ein höllischer Kater sein.«
»Kater?« Claire schaute sie seltsam an und nippte an der Cola. Sie rann süß und kalt ihre Kehle hinunter, und das tat gut. »Ich habe keinen Kater.«
Eve schüttelte den Kopf. »Ich kenn das, CB. Vertrau mir. Iss was und geh duschen, dann wird es dir besser gehen.«
Claire nickte. Ganz entfernt spürte sie tatsächlich einen Anflug von Hunger und es gelang ihr, zwei Bissen von dem belegten Brötchen hinunterzukriegen, bevor sie sich wieder hinlegen musste. Zwischendrin versuchte sie es mit dem Keks.
Die Dusche fühlte sich himmlisch an, Eve hatte auch damit recht behalten; als sie schließlich angezogen war und das halbe Brötchen aufgegessen hatte, fühlte sie sich fast wieder lebendig.
Das Handy klingelte wieder. Jennifer. Claire gab ihr keine Chance, zu schreien und zu drohen. »Zehn Minuten«, sagte sie und legte auf. Sie wollte nicht gehen, aber im Bett zu bleiben, schien auch nichts zu bringen. Sie nahm das Tablett mit nach unten, spülte ab und griff sich beim Hinausgehen ihren Rucksack.
»Wo willst du hin, verdammt?«
Michael. Er stand im Flur, versperrte die Tür und sah aus, als wäre er der Wächter des Himmelstors persönlich. Seine Hand war wund und rosa – die Verbrennungen waren noch immer nicht verheilt. Sie dachte darüber nach, wie wichtig seine Hände für ihn waren wegen der Musik, und sie bekam Gewissensbisse.
»Ich treffe mich mit Jennifer im Common Grounds«, sagte sie. »Nachhilfe. Gegen Bezahlung.«
»Gut, aber du gehst nicht zu Fuß und ich kann dich vor Einbruch der Dunkelheit nicht hinbringen.«
»Ich kann dich fahren«, bot Eve an. Sie kam zu Claire in den Flur. »Ich muss sowieso zur Arbeit. Kim ist wieder nicht aufgetaucht, sie haben mich vorhin angerufen. Hey, bezahlte Überstunden. Ist doch prima. Vielleicht können wir uns Tacos leisten.«
Michael sah gereizt aus, aber schließlich gab er nach. Er nickte und machte den Weg frei. Eve stellte sich auf Zehenspitzen, um ihn zu küssen, und das dauerte eine Weile, bis Claire sich räusperte, auf die Uhr schaute und sie dazu brachte, zum Auto zu gehen.
Es war eine kurze Fahrt bis zum Common Grounds, aber nicht direkt angenehm, denn das Erste, was Eve sagte, war: »Stimmt es, dass Oliver die Fentons und Captain Durchblick getötet hat?«
Claire wollte nicht darüber sprechen, aber sie nickte.
»Und Michael? Michael war auch dort?«
Claire nickte wieder und schaute aus dem Fenster.
»Er wurde verletzt, ich habe die Verbrennungen gesehen.«
Dieses Mal versuchte Claire gleich gar nicht zu antworten. Eve ließ die Stille einige Sekunden wirken, dann sagte sie: »Schließt mich nicht aus, Claire. Wir vier haben nur uns selbst.«
Nur dass Claire ihr Wissen mit niemandem teilen konnte. Nicht mit Michael, nicht mit Eve und schon gar nicht mit Shane.
Sie war allein und schleppte ein hässliches, belastendes Wissen mit sich herum, das sie nicht wollte und das sie nicht nutzen konnte. Und jedes Mal, wenn sie an Olivers eisiges Lächeln dachte, daran, wie er Christine Fentons Kehle aufgerissen hatte, wurde ihr übel. Ich helfe ihm, wenn ich weiterhin für Myrnin und Amelie arbeite. Aber sie half auch Michael. Sam.
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