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Haus des Blutes

Haus des Blutes

Titel: Haus des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bryan Smith
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den Gedanken als abstoßend. Es war zwar durchaus möglich, dass er es tun würde – falls ihm keine andere Wahl blieb –, aber ein sehr großer Teil von ihm zweifelte daran, dass er tatsächlich dazu in der Lage war, einen anderen Menschen umzubringen. Einer Frau den Schädel einzuschlagen, besonders einer sehr jungen Frau, würde ihn auf direktem Weg in eine Liga mit so schäbigem Massenmördergesindel wie Ted Bundy und Konsorten befördern.
    Und Eddie hatte ohnehin schon einen großen Teil seiner Menschlichkeit und Selbstachtung eingebüßt. Vielen Dank auch, lieber Gastgeber!
    Ihm wurde bewusst, dass das Mädchen ihn erneut anstarrte, und auf ihr Gesicht war ein Ausdruck eiskalter Berechnung getreten. Sie wirbelte abrupt auf dem Absatz herum, wobei die Schleppe ihres langen Kleids bei jeder Bewegung hin und her schwang; im nächsten Moment hatte sie sich aus dem Schrank zurückgezogen. Der Teil seines Verstands, der absolute Priorität auf das Überleben setzte, wurde in einen Zustand höchster Alarmbereitschaft versetzt. Er sollte nicht länger zögern, umgehend hinter der kleinen Schlampe herjagen und sie erledigen.
    Eddie dachte noch einen Augenblick darüber nach.
    Stellte sich vor, wie er sich in bester Bundy-Manier um sie kümmerte.
    Und blieb, wo er war.
    Scheiße, er hatte es so satt, davonzurennen oder zu kämpfen. Seine wahnwitzige Flucht in die Freiheit, an einem der zahlreichen Kontrollpunkte Unten begonnen, hatte ihm einfach schon zu viel abverlangt. Allein bis hierher zu kommen, hatte schier übermenschliche Anstrengungen gekostet. Er war vollkommen ausgepowert. Ihm ging der Treibstoff aus. Darum war er auch so schnell eingenickt. Er gähnte, rieb sich seine verschlafenen Augen und lehnte sich an die Rückwand des Schranks.
    Wie lange war er weggetreten gewesen?
    Zehn Minuten?
    15?
    Gerade eben lang genug, um in die Traumphase einzutauchen.
    Verdammt, dachte er, ich könnte direkt wieder einschlafen.
    Sollte die kleine Grufti-Schlampe ruhig Verstärkung holen!
    Vielleicht tat sie ihm ja den Gefallen und brachte stattdessen ihn um, während er schlief. Eddie fühlte sich für diese letzte Begegnung mit dem Schicksal gewappnet. Er zog den ewigen Schlaf weiteren sechs – oder noch mehr – Monaten im Unten vor.
    Allmählich beschlich ihn der Verdacht, er würde das sogar einem neuerlichen Versuch vorziehen, von hier zu fliehen; vor allem deshalb, weil eine Flucht ohnehin unmöglich zu sein schien. Eddie hatte den Eindruck, wie eine Ratte in einem Labyrinth herumzuirren, während der Meister durch das Glasdach jeden einzelnen seiner Schritte beobachtete und bei jedem hoffnungslosen Anlauf, sich aus diesem Albtraum zu befreien, leise in sich hineinlachte.
    Zur Hölle mit diesem aussichtslosen Kampf!
    Es war viel besser, einfach nur hier zu sitzen und auf das Unausweichliche zu warten.
    Doch während Eddie darüber sinnierte, aufzugeben, wurde er von dem Gedanken daran gequält, wie weit er schon gekommen und wie kurz er davor gestanden hatte, die Vision zurückgewonnener Freiheit in die Realität umzusetzen. Die Aussicht, jetzt aufzugeben, löste einen brennenden Schmerz in seiner Brust aus. Einen Stich des Bedauerns, der ihn ebenso verhöhnte wie die fiesen Bemerkungen der Schulhoftyrannen von früher.
    Genau, Eddie, entscheide dich wie immer für den Weg des geringsten Widerstands.
    Du würdest dich sowieso nicht trauen, Selbstmord zu begehen.
    Du beschissener Feigling.
    Was soll überhaupt die ganze Aufregung?
    Ist doch sowieso nur dein Leben, von dem wir hier sprechen.
    Er dachte erneut darüber nach, wie es wäre, frei zu sein. Ein freier Mann in einem freien Land. Und er dachte darüber nach, wie sehr sich alles verändern würde, wenn er dieses Ziel jemals erreichen sollte. Eins wusste er mit Sicherheit: Seine Tage in der Firma waren gezählt, ganz gleich, ob sie ihn nach seiner langen, unerklärlichen Abwesenheit wieder einstellen würden oder nicht.
    Der Gedanke daran, diesen Ort des Wahnsinns lebend zu verlassen, nur um wieder von den Mühlen der Businesswelt zermalmt zu werden, war schlicht und einfach lachhaft. Er würde sämtliche Vermögenswerte, die ihm noch geblieben waren, veräußern, seinen kompletten Privatbesitz verkaufen und sich in die weite Welt aufmachen. Jeden Sonnenaufgang und jeden Sonnenuntergang auskosten. Er würde fremde Länder in entfernten Winkeln des Globus bereisen. Und diese Inselschönheit aus seinem Traum aufspüren – oder wenigstens eine, die ihr ähnlich

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