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Haus des Blutes

Haus des Blutes

Titel: Haus des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bryan Smith
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Betroffenheit.
    Sie hieß Giselle Burkhardt und war 1973 im Alter von 17 Jahren hierhergekommen. Sie stand damals kurz vor dem High-School-Abschluss.
    An dieser Stelle hob Eddie die Augenbrauen, denn diese Informationen konnten unmöglich stimmen. Mein Gott, die Kleine sah immer noch so aus, als wäre sie 17 – und das gut 30 Jahre nach ihrer angeblichen Ankunft in der Welt des Meisters.
    Verglichen mit dem, was als Nächstes kam, war diese Pille allerdings noch leicht zu schlucken.
    Es sollte der letzte Urlaub mit ihrer Familie sein, bevor ein neuer Abschnitt in ihrem Leben begann – der Besuch eines Colleges in Neuengland. Der Wagen, in dem sie mit Eltern und jüngerem Bruder unterwegs gewesen war, bekam östlich von Chattanooga plötzlich Probleme mit dem Motor. Ihr Vater sah sich gezwungen, den Highway zu verlassen. Damit hatte eine lange Nacht des Schreckens begonnen, die mit der Verstümmelung und dem Tod ihrer Eltern endete. Man verschleppte ihren Bruder in ein anderes Zimmer, während sie in einer winzigen, niedrigen Kammer eingesperrt wurde. Dort hatte sie warten müssen, bis der Meister bereit war, mit der zweiten Phase ihrer Indoktrination zu beginnen. Miss Wickman holte sie irgendwann aus dem winzigen Raum und folterte sie, bis sie schreiend einwilligte, alles zu tun, was man von ihr verlangte, wenn ihre Qualen dadurch nur endlich ein Ende fanden.
    Sie hatten ihren Bruder zu ihr gebracht.
    Sie erinnerte sich noch daran, wie herzzerreißend tapfer er ausgesehen hatte, während er zitternd vor ihr stand.
    Es war nicht leicht gewesen.
    Sie wollte, dass Eddie das verstand.
    Aber die Schmerzen waren stärker gewesen, als sie es ertragen konnte. Und eine Weigerung, ihre Befehle zu befolgen, hätte weitere Schmerzen nach sich gezogen; ebenso grausam wie die, die sie bereits durchgestanden hatte – wenn nicht sogar noch schlimmer. Das war ihr vollkommen klar gewesen.
    Sie weigerte sich nicht.
    Miss Wickman hatte Giselle ein scharfes Rasiermesser gereicht.
    Giselle musste damit ihren Bruder behandeln.
    Sehr lange und ausgiebig.
    Und ihm dann den Rest geben.
    »Oh, mein Gott«, stieß Eddie aus, als er beim Lesen an dieser Stelle ankam. »Heilige verfluchte Scheiße …«
    ICH HABE MEINEN BRUDER UMGEBRACHT, begann der letzte Abschnitt ihres Berichts. DER MEISTER HAT AUF MEINEN STOFFWECHSEL EINGEWIRKT, UM DEN ALTERUNGSPROZESS AUFZUHALTEN, DAMIT ICH IHM HIER BIS IN ALLE EWIGKEIT ALS LEHRLING DIENEN KANN. ICH HABE IHM GUTE DIENSTE ERWIESEN. SO GUTE, DASS ICH IHN TÄUSCHEN KONNTE. ICH HABE DREI JAHRZEHNTE LANG DARAUF GEWARTET, ABBITTE FÜR MEINE SÜNDEN LEISTEN ZU KÖNNEN. JETZT STEHT DIE ZEIT DER ABBITTE UNMITTELBAR BEVOR.
    Eddie starrte noch einen Augenblick lang wie gebannt auf die verstörenden Worte, entsetzt über die Grausamkeiten, die sie andeuteten, ehe er sich schließlich zwang, den Blick abzuwenden. Er wollte Giselle nicht ansehen, wollte nicht in diese dunklen Augen schauen müssen. Er konnte spüren, wie sie ihn durchdringend musterte, ihn betrachtete und einzuschätzen versuchte. Er ließ seinen Blick durch das Zimmer wandern, suchte nach etwas, irgendetwas, das ihn ablenken konnte – und bemerkte, dass die Katze verschwunden war.
    Er sah Giselle noch immer nicht an, als er fragte: »Was ist mit deinem kleinen Stubentiger passiert?«
    Giselle schlug eine neue Seite des Blocks auf und schrieb: WEG.
    Eddie runzelte die Stirn. »Weg?«
    Sie führte aus: DIE KATZE IST EIN FORMWANDLER, WENN AUCH EIN ETWAS HÖHER ENTWICKELTES EXEMPLAR DIESER SPEZIES. SIE IST MEIN PERSÖNLICHER BOTE – UND MEIN SPION.
    Ein Formwandler.
    Klar, natürlich.
    Eddie war Unten bislang nur den Möchtegern-Lon-Chaneys mit ihrem Talent zur Verwandlung begegnet, aber er erinnerte sich noch gut an seinen Kampf mit der Kreatur im Kleiderschrank und wusste, dass das Mädchen die Wahrheit sagte.
    Nun fühlte sich Eddie endlich in der Lage, ihren Blick zu erwidern. »Was ist passiert … Warst du schon immer stumm?«
    Sie kritzelte ein einziges wütendes Wort in Großbuchstaben auf den Block: NEIN.
    Eddie zuckte zusammen. »Der Meister? Er …«
    Sie schrieb: ICH WAR EIN WILDER, LAUTER TEENAGER. ER HAT MIR DIE STIMME GENOMMEN, UM MIR DEUTLICH ZU MACHEN, DASS ICH TROTZ MEINER BESONDEREN STELLUNG ALS PERSÖNLICHE SCHÜLERIN NICHT VOR SEINEN STRAFEN SICHER BIN. ER WEIDET SICH FÖRMLICH AN KLEINEN GRAUSAMKEITEN WIE DIESER.
    Eddie schüttelte den Kopf. »Das ist echt total krank, Giselle.«
    ES WAR EINE WERTVOLLE LEKTION, schrieb sie. ICH

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