Haus des Blutes
Schulter und setzte sich erneut in Bewegung. Sein Gang war jedoch nicht länger beschwingt. Das schlechte Gewissen lastete auf ihm und verlangte ihm mit jedem Schritt größere Anstrengungen ab. Er hatte erst wenige Meter zurückgelegt, als er merkte, wie sich in seinem Rücken schwere Schritte auf der Straße näherten.
Es war das Geräusch nackter Füße, die über den Asphalt tapsten. Er konnte die Eile und wilde Entschlossenheit ihres Besitzers förmlich spüren.
Chad umklammerte den Schulterriemen seiner Reisetasche fester, bereit, sie allem und jedem ins Gesicht zu schleudern, der sich ihm näherte. Sie ließ als Waffe jedoch einiges zu wünschen übrig, da sich darin lediglich Klamotten und einige kitschige Souvenirs befanden. Nur ein Kuschelkissen hätte wohl noch weniger Durchschlagskraft besessen.
Davonzurennen schien ihm trotzdem keine vernünftige Alternative zu sein.
Chads Herz pochte wie wild, als es – was immer es auch sein mochte – ihn einholte. Er hörte ein feuchtes Klatschen und spürte heißen Atem in seinem Nacken. Karens vage Beschreibung eines Monsters kam ihm wieder in den Sinn und er stammelte eine stille Entschuldigung an ihre Adresse.
Denn er musste den Verfolger nicht sehen, um zu wissen, dass er ihr unrecht getan hatte.
Ihr Monster war real.
Und es hatte sich an seine Spur geheftet.
Er drehte sich langsam um, während sich ein dicker Angstkloß in seiner Kehle formte und wie eine Sardine darin stecken blieb. Dann brach die hauchdünne Wand, die seinen Verstand schützte, ein, und eine lähmende Woge des Schreckens schwappte über ihn hinweg.
Eine kurze Szene aus einem alten Film von Monty Python lief vor seinem geistigen Auge ab, während er angesichts dieser Begegnung mit dem Surrealen wie gelähmt dastand: Renn weeeeg!
Ja, in den Wald zu fliehen war möglicherweise tatsächlich die sinnvollste Idee.
Zu dumm nur, dass er das Gefühl hatte, auf dem Asphalt förmlich festgenagelt zu sein.
Die Kreatur lenkte seine komplette Aufmerksamkeit auf sich und löschte jegliche rationalen Gedanken aus. Sie war groß – sehr groß. Ein riesiger missgebildeter Kopf mit einem langen ledrigen Maul saß auf einem massigen Körper, der vollständig mit Fell bedeckt war und von unfassbar kräftigen Muskeln gestützt wurde. Das Biest schielte auf ihn herab und fauchte ihn durch seine unzähligen scharfen, glitzernden Zähne an.
Speichel tropfte aus seinem Maul auf den Asphalt.
Chad tat der Kopf weh.
Ihm war furchtbar schwindelig.
Warum starrte es ihn lediglich an?
Wollte es mit ihm spielen?
Vielleicht.
Das Mistvieh.
Aber dann griff es nach ihm, streckte eine seiner unnatürlich langen, mächtigen Pranken nach ihm aus …
Chad knallte bewusstlos auf den Boden.
Die Kreatur hob seinen erschlafften Körper mühelos hoch und schleppte ihn davon.
Kapitel 8
Eddie träumte von ungebändigten Stromschnellen, der Hitze der Sommersonne und einer kühlen Gischt, die auf sein Gesicht spritzte, während das Floß durch das tosende Flussbett taumelte. Er war mit Freunden unterwegs, die er, so kam es ihm vor, seit ewigen Zeiten nicht mehr gesehen hatte. Er träumte von Rum und ausgiebigem Sex mit einer Inselschönheit an einem karibischen Sandstrand. Dann spürte er die beruhigende Stabilität des Felsens unter seinen Händen, als er vor einer anderen exotischen Kulisse einen Gipfel erklomm.
Und jetzt war er mit einer anderen Frau zusammen, einer atemberaubenden Blondine, die aussah, als wäre sie den Seiten einer Modezeitschrift entsprungen. Sie trug ein hauchdünnes blaues Nichts von einem Kleid, das sich aufblähte, als es von einer leichten Brise erfasst wurde, während ihr langes Haar zärtlich ihr Gesicht umwehte und der sanfte Duft des Meeres über sie hinwegstrich. Sie trat in seine offenen Arme und drückte ihn ganz fest an sich. Als sich ihre weichen Lippen berührten, erfasste ein wohliger Schauer seinen Körper. Ihre feuchte Zungenspitze drängte in seinen Mund, und ihm wurde warm ums Herz. Sie löste sich aus der Umarmung und trat ein Stück zurück.
Mein Gott, wie wunderschön sie war!
Er atmete schwer. »Ich brauche dich, Dream.«
Seine Traumfrau hieß also Dream. Das amüsierte ihn sogar hinter dem trägen Schleier des Schlafs ein wenig. Ihr Lächeln wich einem verführerischen Schmollmund, als sie begann, sich auszuziehen. »Bete mich an, Eddie.« Sie blickte gen Himmel, während sich der Wind verstärkte und ihr Haar wie das Segel eines Schiffs auf dem offenen Meer hin und
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