Haus des Blutes
Mist … bleib stehen …« Sie geriet erneut ins Stolpern, aber Dream machte ihren Arm ganz steif und fing sie auf. »Meine Güte … Was ist denn in dich gefahren?«
Im nächsten Moment erreichten sie die Leitplanke und postierten sich links und rechts neben Karen, die mit ihrem entrückten Gesichtsausdruck jedem Kriegsveteranen alle Ehre gemacht hätte: Es war der leere, starre Blick eines Menschen, der direkt durch das Tor der Hölle marschiert war, gegen Dämonen gekämpft und es trotzdem irgendwie geschafft hat, körperlich unversehrt aus dem ganzen Schlamassel herauszukommen. Von Karens Verstand, der offensichtlich völlig lädiert war, konnte man das nicht unbedingt behaupten.
Ihre Augen spiegelten das Lächeln nicht wider, das sie den beiden schenkte. »Monster«, stieß sie aus. Sie schlang die Arme eng um ihren zitternden Körper. »Ich kann spüren, dass sie uns beobachten. Spürt ihr das denn nicht auch?«
Dream warf Alicia einen Blick zu. »Es ist mir egal, wer von euch beiden recht hat. Alles, was ich weiß, ist, dass unsere Chance, hier lebend rauszukommen, von Sekunde zu Sekunde weiter schrumpft. Wir sollten verdammt noch mal schnellstens von hier verschwinden, Mädels.«
Alicia grummelte: »Seh ich vielleicht aus, als wollte ich mich beschweren? Lasst uns abhauen.«
Sie kletterten über die Leitplanke und bewegten sich auf das leere Auto zu. Der Kofferraum stand offen und Dreams Schlüssel baumelten im Schloss. Dream bemerkte, dass ihre Freundin ein wenig abwesend wirkte. »Alicia?«
Alicia blinzelte. »Ja?«
Dream gab sich Mühe, beiläufig zu klingen, als sie sagte: »Setz Karen in den Wagen. Ich muss noch was aus dem Kofferraum holen.«
Alicia zuckte mit den Schultern. »Klar.«
Alle vier Türen des Accord standen offen und die Innenbeleuchtung brannte. Im düsteren Mondlicht wirkte das leere Auto wie ein verlassenes Raumschiff. Alicia kümmerte sich um Karen, die wieder irgendetwas von Monstern brabbelte, während Dream zum offenen Kofferraum ging und den Inhalt inspizierte. Shanes Eddie-Bauer-Tasche lag hinter Alicias abgewetztem grünem Koffer in der Ecke.
Dreams Herz raste, als sie nach der Tasche griff. Sie lugte über die offene Kofferraumklappe, wo Alicia neben Karen, die allem Anschein nach erneut beruhigt werden musste, auf dem Rücksitz Platz genommen hatte. Dream entspannte sich ein wenig, öffnete den Reißverschluss und begann, Shanes Sachen zu durchwühlen.
Im Inneren befand sich eine Ansammlung typischer Ferienklamotten, die von Hawaiihemden und Sandalen bis hin zu hässlichen Boxershorts mit Blumenmustern und weiten Cargopants reichte. In einer Seitentasche fand sie ein Pornoheft, das sich ausschließlich Mädchen widmete, die es mit anderen Mädchen trieben. Arme Karen. Der tote Mistkerl hatte ihre Trauer nicht verdient. Dream wurde sich einer unangenehmen Tatsache bewusst: Die Art und Weise, wie Shane gestorben war, machte ihr mehr zu schaffen als der Tod selbst.
Sie wartete auf einen Anflug von Schuld.
Sie seufzte.
Es kam keiner.
Pfeift auf die düsteren Schattenwesen, die in den Wäldern umherstreifen, dachte sie. Das wahre Monster ist mitten unter euch, Mädels.
Die Waffe steckte in derselben Seitentasche wie das Schmuddelheft. Dream zog sie vorsichtig heraus, legte sie vorsichtig in den Kofferraum, ratschte den Reißverschluss von Shanes Tasche zu, verstaute sie wieder, öffnete ihre eigene und begrub die Glock unter einem Haufen dünner Tops und Slips. Nachdem sie die Tasche sorgfältig verschlossen hatte, zog sie den Schlüssel aus dem Kofferraumschloss und stieg in den Wagen.
»Hast du gefunden, wonach du gesucht hast?«, wollte Alicia wissen.
Dream bildete sich ein, einen anklagenden Tonfall in der Stimme ihrer Freundin zu erkennen. Alicia war nicht dumm. Sie wusste, wie verletzlich Dream war, und sie erinnerte sich ganz sicher noch an Karens Bemerkung über die Waffe. Es war eine einfache Gleichung: Selbstmordgefährdete Freundin plus Verfügbarkeit einer tödlichen Waffe ergibt jede Menge Ärger.
»Nein.« Dream ließ den Motor an. »Ich habe nach Shanes Waffe gesucht.« Sie staunte selbst darüber, wie gut es ihr gelang, ihre Stimme fest klingen zu lassen, als sie die Lüge noch ein wenig ausschmückte. »Ich dachte, wir könnten sie gut gebrauchen, aber ich hab sie nicht gleich gefunden und es aufgegeben.«
Sie legte den Gang ein und lenkte den Wagen vom Seitenstreifen zurück auf die Fahrbahn.
»Gut, okay«, grummelte Alicia.
Nach all den
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