Haus des Blutes
Witterung auf. Die Erinnerung an dieses grauenhafte Knurren, diesen hungrigen, unnatürlichen Atem, ließ ihn in Giselles Armen zusammenzucken. Dann schilderte er, wie er durch den Sicherheitsraum zu der endlosen Treppe gelangt war. Den anschließenden surrealen Aufstieg.
Giselle stieß einen Laut aus.
Eddie runzelte die Stirn. »Was?«
Sie fuhr mit ihren Fingern durch sein Haar. »Ich habe nur eben gedacht, wie viel leichter das alles für dich gewesen wäre, wenn wir eine Möglichkeit gefunden hätten, dich zu erreichen.«
»Wir?«
Giselle lächelte nur.
In Eddies Kopf drehte sich alles. Es gab so vieles, was er nicht verstand. »Scheiße. Hör zu, es ist mir egal, wer sonst noch alles mit der Sache zu tun hat … was immer hier auch gerade passiert. Aber wenn du mich gebraucht hast … wenn ich wirklich irgendeine Bestimmung zu erfüllen habe … wieso hast du es mir denn dann nicht von Anfang an gesagt?«
Giselles Lächeln veränderte sich nicht. »Eine Bestimmung kann man nicht erzwingen.«
»Ich verstehe nicht, was du meinst.«
Sie küsste ihn sanft auf den Mund. »Du musstest aus freiem Willen zu mir kommen, Eddie, ohne vorher zu wissen, welche Rolle du später einnimmst.«
»Aber warum?«
Sie seufzte. »Eine höhere Macht hat es so angeordnet.« Schließlich schwand ihr Lächeln. »Ich bezweifle, dass du gekommen wärst, wenn du gewusst hättest, was dich erwartet.«
Eddie gefiel ganz und gar nicht, was er da zu hören bekam. Dieses Rendezvous mit seinem sogenannten Schicksal schien darauf hinauszulaufen, dass er sich in große Gefahr begeben würde.
In lebensbedrohliche Gefahr.
Was ihm ganz und gar nicht gefiel. Verfluchte Scheiße noch mal, worauf hatte er sich da nur eingelassen?
Er räusperte sich. »Hör zu …«
»Pssst.« Sie legte einen Finger auf seine Lippen. »Dir bietet sich hier eine seltene Gelegenheit, Eddie. Eine Chance, Großes zu vollbringen. Etwas Gutes zu tun.« Etwas leuchtete hinter ihren Augen auf, ein kaum wahrnehmbarer Schatten des Bedauerns. »Und mir dabei zu helfen, Buße zu tun …«
Er legte erneut die Stirn in Falten. »Warte … Willst du damit wirklich das sagen, was ich glaube …?«
Sie unterbrach ihn. »Ja. Dann werden wir von hier fortgehen.«
Fortgehen?
Eddie wusste es besser, als sich Hoffnungen zu machen.
Hoffnung war nichts weiter als vorprogrammierter Kummer.
Aber Giselle sagte: »Ja, Eddie, das werden wir.«
Sie drückte ihn erneut an sich.
Und atmete tief ein.
»Ich verspreche es dir.«
Kapitel 18
Dream kam einfach nicht darüber hinweg, wie umwerfend King war. Sein kantiger Kiefer und die kühlen blauen Augen waren der Stoff, aus dem heiße erotische Fantasien gestrickt waren. Ein Büschel braunen Haars wellte sich sanft von seiner Stirn nach hinten. Er trug schwarze Hosen mit rasiermesserscharfen Bügelfalten, ein gestärktes weißes Hemd, das lässig am Kragen geöffnet war, und polierte nussbraune Halbschuhe. An einem seiner Finger funkelte ein Siegelring. Aber seine Attraktivität beschränkte sich nicht auf seine äußere Erscheinung. Der wissende Blick, mit dem er sie musterte, ließ Dream förmlich dahinschmelzen.
Jedes Mal, wenn er sie mit diesem bezaubernden Lächeln bedachte, jagte ein wohliger Schauer durch ihren Körper, genau wie in diesem Moment. »Sagen Sie, Dream, wenn Sie mir diese Frage gestatten, waren Ihre Eltern …« Er kniff die Lippen zusammen, als denke er darüber nach, wie er dieses potenziell heikle Thema am besten ansprechen sollte. »… die Art von Mensch, die gerne in Kommunen lebt und im Gefolge nomadischer Musiker durchs Land reist?«
Alicia schnaubte.
Dream funkelte sie an und zeigte King dann ihr offenstes, freundlichstes Lächeln. »Es macht mir nichts aus, dass Sie mich das fragen. Ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Auf meinen Namen.«
King hob eine Augenbraue. »Und Sie besitzen wirklich einen ganz wundervollen Namen.«
Dream nahm aus dem Augenwinkel wahr, wie Alicia die Augen verdrehte. Sie wusste genau, was Alicia über King sagen würde, wenn sie später wieder unter sich waren. Dass er ein Blender war. Dass er vor falscher Aufrichtigkeit ebenso üppig triefte wie ein Bauarbeiter vor Schweiß. Und möglicherweise lag ja sogar etwas Wahrheit in diesen Unterstellungen, aber Dream war das egal. Sie wusste, dass Kings Verhalten ihr gegenüber das eines typischen Männchens auf Beutezug war. Sein Interesse an ihr äußerte sich in seiner Mimik ebenso deutlich wie in der scheinbar verzückten
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