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Haus des Glücks

Haus des Glücks

Titel: Haus des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Winkler
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gebrauchen und tun, was dein Herz dir sagt. Zu deinem eigenen Wohlbefinden und zum Nutzen aller. Und was den Doktor angeht«, Lotte lächelte. »Er ist wie eine Kokosnuss: Ein guter Mann, aber man erkennt es nicht auf den ersten Blick. Sag John das, wenn du ihn um seine Erlaubnis bittest.«
    »Das werde ich«, sagte Victoria und fragte sich, ob der Hinweis auf das Gleichnis von den Talenten im Neuen Testament zufällig oder bewusst von der Samoanerin gewählt worden war. Die Geschwindigkeit, in der die Einheimischen hier auf der Insel den christlichen Glauben annahmen und umsetzten, war beeindruckend. Es schien, als hätten sie seit langem darauf gewartet. »Ich danke dir für deinen Rat.«
    »Ich habe dir nur gegeben, worum du mich gebeten hast.«
    Der Regen hörte auf.
    »Ich gehe am besten gleich zum Doktor. Alexander schläft noch. Kannst du bitte so lange auf ihn aufpassen, bis ich zurück bin?«
    »Gern. Aber was ist mit John?«
    Ja, was würde John sagen? Victoria seufzte und sah auf das Meer hinaus. »Ich werde zuerst mit Doktor von Kolle sprechen. Vielleicht will er mich überhaupt nicht mehr als Hilfe, in diesem Fall erübrigt sich das Gespräch mit John. Anderenfalls werde ich ihn leichter überzeugen können. Glaube ich. Hoffe ich.«
    Lotte nickte. »Wichtig ist nur, dass du dir überlegt hast, was du tust.«
    Die Samoanerin schaukelte langsam vor und zurück und begann leise zu summen, während Victoria die Stufen hinunter und zur Gartenpforte lief.
     
    Friedrich lag in seinem Sessel und schlief, als ihn ein Klopfen an der Tür jäh weckte. Erschrocken fuhr er auf, das
Ärzteblatt,
das auf seinen Knien gelegen hatte, fiel zu Boden. Er sprang auf, griff nach seiner Brille und stieß dabei das Wasserglas auf dem Lesetisch um. Schlaftrunken verhedderten sich seine Beine in den Blättern, und er wäre beinahe gestürzt. Im letzten Augenblick hielt er sein Gleichgewicht, verfluchte das Leben, die Ruhestörung und die Zeitung, eilte zur Tür und öffnete.
    Vor ihm stand Victoria Seymour, ohne Hut und ohne Schirm. Sie trug nicht einmal einen Umhang. Ein ungewohnter, fast unschicklicher Aufzug für eine Frau der guten Gesellschaft, und er konnte sich vorstellen, wie die anderen feinen Damen beim Anblick der jungen Frau naserümpfend die Straßenseite wechselten. Ihre literarischen Vorlieben, ihre unkonventionelle Art im Umgang mit ihrem Sohn und ihr zwangloses Verhältnis zu den Einheimischen sorgten überall für Gesprächsstoff. Selbst hier in seiner Praxis erzählten ihm die Patientinnen hinter vorgehaltener Hand den neuesten Klatsch und Tratsch. Bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen er Victoria Seymour bislang persönlich begegnet war, hatte er den Eindruck gewonnen, dass ihr die Meinung der anderen Frauen gleichgültig war. In Deutschland hätten sich ihre Kreise kaum mit ihnen überschnitten. Leider war Apia zu klein, um sich dauerhaft aus dem Weg zu gehen, und er hoffte inständig, dass das junge Ehepaar sich trotzdem nicht von Samoa vertreiben ließ. Die beiden brachten in ihre starre Gesellschaft eine frische, lebendige und intelligente Note.
    »Frau Seymour?« Überrascht rückte er seine Brille gerade und fuhr sich durch das graue Haar, das nach seinem Nickerchen wie bei einer Bürste nach allen Seiten abstand. »Kommen Sie doch herein.« Sie trat an ihm vorbei ins Haus. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Es ist nichts Ernstes«, sagte sie und lächelte in ihrer gewinnenden Art. »Wenigstens kein medizinischer Notfall. Offen gestanden langweile ich mich. Und ich bin hier, um Sie zu fragen, ob Sie noch immer meine Hilfe als Krankenschwester in Ihrer Praxis in Betracht ziehen könnten. Natürlich nur stundenweise. Wegen meines Sohnes.«
    Ihre Direktheit überraschte ihn, aber gerade diese Eigenschaft schätzte er. Victoria war eine ungewöhnliche Frau. Anders als die hysterischen, engstirnigen Damen der »feinen« Gesellschaft in Apia. Und ganz anders als die verzärtelten Damen in Berlin. Wenn er in seiner Jugend eine Frau wie sie getroffen hätte, wäre sein Leben gewiss anders verlaufen. Sein Puls beschleunigte sich. Um Zeit zu gewinnen, nahm er seine Brille ab und putzte sie umständlich mit seinem Taschentuch. Dann setzte er sie wieder auf. Victoria Seymour wartete unterdessen ruhig und unerschütterlich auf seine Antwort. Sie hakte nicht nach, bedrängte ihn nicht. Sie war bewundernswert.
    »Ja«, sagte er schließlich und räusperte sich. »Es wäre mir eine große Freude, wenn Sie sich bereit

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