Haus des Glücks
noch ein paar Minuten warten. Endlich kam ein Mann in verwaschenen Jeans und T-Shirt. Er hatte kurzgeschorene, dunkle Haare, die an die Frisur eines amerikanischen Elitesoldaten erinnerten, und war ebenso durchtrainiert.
»Hallo Leute, ich bin Steve, einer eurer Tauchlehrer. Ich fahre euch zu der Bucht. David, mein Partner, wartet dort mit der Ausrüstung auf uns. Wie heißt ihr?«
Sie stellten sich der Reihe nach vor, und er schüttelte jedem die Hand.
»Kommt mit, der Bus steht draußen.«
Vor dem Hotel parkte ein VW -Bus, der seinem Aussehen nach in den siebziger Jahren die Welt umrundet hatte und nur noch von Rost und Lack zusammengehalten zu werden schien. Der Motor protestierte laut, als Steve ihn anließ, und erst nach Anwendung diverser Tricks spuckte das Gefährt eine riesige Qualmwolke in die Luft und setzte sich in Bewegung. Sie fuhren ein paar Minuten die Küstenstraße entlang, bis sie in einen Schotterweg abbogen. Er parkte den Bus neben einem Jeep, der noch älter und klappriger aussah als der VW -Bus. Sie stiegen aus und folgten einem schmalen Trampelpfad, der sie an Palmen und blühenden Sträuchern vorbeiführte. Nach einem kurzen Marsch hatten sie ihr Ziel erreicht. Sie arbeiteten sich durch das üppige Grün der Farne und unbekannten Stauden und standen in einer anderen Welt. Es war ein Strand wie aus einem Werbekatalog oder einem Traum. Ein Paradies:
Die von schroffen Felsen gesäumte Bucht war nicht groß. Der Sand war weiß, das kristallklare Wasser schillerte in allen nur erdenklichen Blau- und Grüntönen. Palmen neigten ihre Kronen bis zum Sand, in ihrem Schatten stand eine Kühlbox. Der laue Wind ließ die Palmenwedel rascheln. Zwei schmale samoanische Auslegerboote lagen am Ufer, zwischen ihnen waren wellenumspülte Flaschenhälse zu sehen.
David breitete die Schnorchel, Taucherbrillen und Schwimmflossen auf zwei Matten aus. Er trug verwaschene hochgekrempelte Jeans und ein hellgelbes T-Shirt. Sein Haar war feucht, an einer Palme hing ein Neoprenanzug zum Trocknen, darunter stand ein Tauchgerät. Er begrüßte alle und lächelte Julia zu. Seine Augen leuchteten.
Nach ihrer Erfahrung gefragt, stellte sich heraus, dass alle bereits mindestens einen Tauchkurs absolviert hatten. Julia war die einzige Anfängerin. Trotzdem erklärten Steve und David ausführlich den Gebrauch von Schnorchel und Taucherbrille. Dann kamen sie zum geplanten Ablauf des Ausflugs.
»Wir fahren etwa fünfzig Meter auf die Lagune hinaus. Die Wassertiefe dort beträgt vier bis fünf Meter, es ist also kaum tiefer als im Schwimmerbereich der meisten Badeanstalten. Anfangs werden wir an der Oberfläche bleiben, damit ihr euch an das Wasser und die Schnorchel gewöhnen könnt. Nach zwanzig Minuten sammeln wir uns bei den Booten. Wenn ihr möchtet, gehen wir runter. Nach eineinhalb Stunden kehren wir an den Strand zurück, um den Sonnenuntergang zu bewundern.«
»Besonders wichtig: Bleibt zusammen, mindestens zu zweit, damit ihr einander im Notfall helfen könnt. Und macht lieber früher Schluss als zu spät. Steve und ich sind immer in eurer Nähe. Es kann also nichts schiefgehen. Habt ihr noch Fragen?«
Die Kanadierin meldete sich. »Wie ist es mit Haien?«
»Hier sind sie extrem selten. Wenn man Haie sehen will, muss man weiter auf den Pazifik hinausfahren«, erklärte Steve. »Das Riff hält sie draußen, und hier müssten sie sich noch an den Felsen am Eingang vorbeiquälen. Ich tauche in dieser Bucht seit acht Jahren und bin hier noch nie einem Hai begegnet. Und du?«
David schüttelte den Kopf. »Außerdem war ich vorhin tauchen. Da war weit und breit kein Hai.«
»Aber das muss natürlich nichts heißen. Sollte sich also wider Erwarten einer hierher verirren, gilt vor allem: Ruhe bewahren, keine hektischen Bewegungen, langsam auftauchen. Und wenn er euch zu nahe kommt, vorsichtig an den Kiemen berühren. Aber David und ich sind da. Wir haben Erfahrung im Umgang mit Haien und trotzdem noch alle Gliedmaßen, wie ihr seht. Denkt immer daran, dass weltweit mehr Menschen im Laufe eines Jahres durch Nilpferde und Bienenstiche als infolge von Haiangriffen sterben. Und dass die meisten Taucher wegen Unvorsichtigkeit, Selbstüberschätzung oder mangelhafter Vorbereitung verunglücken.«
»Beruhigend«, sagte der Holländer, und die anderen lachten nervös.
Julias Hände wurden feucht. Ihr wurde plötzlich klar, dass es doch etwas anderes war, als im Hallenbad zu schnorcheln. Das war wie der Unterschied zwischen
Weitere Kostenlose Bücher