Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haus des Glücks

Haus des Glücks

Titel: Haus des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Winkler
Vom Netzwerk:
Wasserschildkröte auf sie zu, als wollte sie sie begrüßen. Sie kam so nahe an sie heran, dass sie behutsam ihren Panzer streicheln konnten. Immer wieder kamen sie zum Luftholen an die Oberfläche zurück, nur um gleich darauf erneut hinabzugleiten in die Zauberwelt des Meeres. Als David schließlich das Zeichen zum Sammeln gab, konnte sie kaum glauben, dass bereits eineinhalb Stunden um sein wollten. Sie baten und bettelten, aber weder er noch Steve ließen sich überreden.
    Im Boot waren alle still. Julia liefen die Tränen über die Wangen. Nie zuvor hatte sie so viel Schönheit gesehen.
    Am Strand zogen sie sich um und hängten ihre nassen Sachen zum Trocknen auf. Dann schlenderten sie am Ufer entlang, während David und Steve ein Lagerfeuer anzündeten und in Bananenblätter eingewickelte Päckchen auf Zweige steckten.
    Schon bald brannte das Feuer hell. Sie holten Mineralwasser, Bier und Cola aus dem Wasser, tranken und aßen mit Käse gegrillte Bananen, gebratenen Fisch und frische Kokosnüsse. Das Erlebnis unter Wasser gab ihnen das Gefühl, eine eingeschworene Gemeinschaft zu sein, als wären sie die einzigen Menschen auf der Welt.
    Als die Sonne unterging, zog Julia sich ein wenig von den anderen zurück, setzte sich in den Sand und sah auf das rotglühende Meer hinaus.
    »Darf ich?«
    Sie hob den Kopf und sah David ins Gesicht. »Natürlich.«
    Er setzte sich neben sie.
    »Danke«, sagte sie nach einer Weile. »Vielen Dank für die Einladung. Das war wunderschön.«
    »Freut mich. Ehrlich gesagt hatte ich anfangs den Eindruck, dass du in Panik gerätst und aufgeben musst.«
    »Das wäre auch beinahe der Fall gewesen. Als wir das erste Mal getaucht sind, dachte ich: So, das war es, jetzt musst du sterben. Aber dann …« Erneut traten ihr die Tränen in die Augen. »Ich habe nie etwas Vergleichbares gesehen. Und als auch noch die Wasserschildkröte auf uns zuschwamm …«
    »Wir hatten Glück. Sie sind normalerweise extrem scheu.«
    »Wunderbar.«
    Er lächelte versonnen.
    »Wie lange tauchst du schon?«
    »Seit ziemlich genau zehn Jahren. Aber das zählt unter Tauchern nicht. Wichtig ist die Anzahl der Tauchgänge.«
    »Wie viele sind es denn?«
    »Keine Ahnung. Zwischen vier- und fünftausend.«
    »Wie bitte?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich lebe schließlich davon – in doppelter Hinsicht. Wir tauchen jeden Tag, manchmal vormittags und nachmittags. Da kommt einiges zusammen.«
    »Woher kommst du?«, fragte Julia.
    »Aus Edinburgh«, antwortete er und trank einen Schluck
Vailima beer
aus der Flasche.
    »Und lebst du schon lange auf Samoa?«
    »Seit acht Jahren.« Er stützte die Arme auf die Knie und sah auf das Meer hinaus. »Ich habe in einer Bank gearbeitet. In der
Royal Bank of Scotland.
Ich habe an jedem Tag mit Schlips und Anzug und frisch rasiert Geld gezählt und alten Damen und Familienvätern Anlagen verkauft. Ich bin fast daran erstickt.« Er lachte leise, aber das Lachen hatte einen bitteren Klang. »Ich war verheiratet. Aber es hat nicht funktioniert. Nach zwei Jahren haben wir eingesehen, dass eine Trennung für uns beide das Beste ist. Sie hat mittlerweile wieder geheiratet, hat zwei Kinder, ein Haus – das Übliche eben. Sonntags kommen die Eltern und Schwiegereltern zum Tee, der Mann geht in den Club, man engagiert sich in der Gemeinde, organisiert Sportfeste und so weiter. Sie ist damit glücklich.« Er trank wieder einen Schluck. »Nach der Scheidung habe ich alles ausprobiert, was du dir nur vorstellen kannst – Fallschirmspringen, Bungeejumping, Drachenfliegen, je extremer, umso besser. Bis mir Freunde zum dreiundzwanzigsten Geburtstag einen Gutschein für einen Tauchkurs geschenkt haben.«
    »Und da hat es dich gepackt?«
    David lächelte. »Gepackt? Es hat mich getroffen wie ein Hammerschlag. Am Anfang, als wir noch in der Halle getaucht sind, hat es Spaß gemacht. Aber dann sind wir zum ersten Mal ins offene Wasser gegangen. Und da ist es passiert. An der schottischen Nordseeküste zwischen Felsen, Blasentang und Miesmuscheln, in etwa sechs Meter Wassertiefe wurde mir klar: Das ist es. Dafür bin ich geboren, und für den Rest meines Lebens will ich nichts anderes mehr. Das klingt verrückt, nicht wahr?«
    Er sah sie an. Im atemberaubenden Licht des Sonnenuntergangs konnte sie die Farbe seiner Augen nicht mehr erkennen.
    »Nein«, sagte Julia und meinte es ehrlich. »Ganz und gar nicht.«
    »Ich habe alle Intensiv- und Sonderkurse belegt, die angeboten werden und

Weitere Kostenlose Bücher