Haus des Glücks
zur Vernunft kommen und dich für diese Gedanken bis in den Erdboden schämen.
Sie drehte sich auf die Seite.
Vailima beer,
nach deutschem Reinheitsgebot gebraut. Das wird Marco freuen.
Sie lauschte seinem gleichmäßigen, vertrauten Schnarchen, dem Summen der Klimaanlage und schlief ein.
26
27 . September 2009
Tanugamanono, 24 . September 1918
Der neuseeländische Militärbefehlshaber hat dem Quarantäneschiff, das drei Tage lang vor der Bucht von Apia lag, erlaubt, im Hafen anzulegen. Als ich davon hörte, wollte ich es nicht glauben. Doch es stimmt. Doktor Andrews hat bereits die ersten kranken Besatzungsmitglieder im Krankenhaus aufgenommen. Aufnehmen müssen, sollte ich wohl besser sagen, denn er hat es nicht freiwillig getan. Ihm macht diese Angelegenheit ebenso Sorgen wie mir. Wahrscheinlich handelt es sich um die Spanische Grippe, die seit einiger Zeit in Europa wütet. Bisher wissen wir nur aus den Zeitungen davon. Wir haben die kranken Matrosen isoliert. Sie haben ein Zimmer für sich, und für das Betreten gelten besondere Vorsichtsmaßnahmen – wir wechseln unsere Kleidung und waschen uns ständig die Hände. Doch es steht zu befürchten, daß wir bald auch hier die ersten Patienten haben werden. Die Spanische Grippe ist hochansteckend und in vielen Fällen tödlich. Wie die samoanischen Einwohner auf diesen aggressiven Erreger reagieren werden, daran möchte ich jetzt noch nicht denken. Aber vielleicht will der Militärbefehlshaber genau das erreichen, vielleicht ist es seine Absicht, unsere Bevölkerung auf diese Weise zu dezimieren. Doktor Andrews hat alles versucht, den Mann vom Wahnsinn seiner Tat zu überzeugen, aber es war vergeblich. Wir versuchen, uns zu wappnen. Wir haben bereits die Vorräte an fiebersenkenden Mitteln gezählt und eine Bestellung nach Sydney aufgegeben. Aber wir wollen noch nicht den Teufel an die Wand malen. Noch ist alles eine bloße Vermutung. Vielleicht haben wir Glück, und es wird nicht so schlimm!
Tanugamanono, 28 . November 1918
Es war die Spanische Grippe, und es war viel schlimmer, als ich es in meinen schlimmsten Alpträumen befürchtet hatte. Das Krankenhaus war voll, und zahlreichen Patienten konnten wir trotz aller Bemühungen nicht helfen. Es sind so viele Menschen gestorben, daß ein Massengrab nötig war. Ich hoffe, der Militärbefehlshaber ist stolz auf sich. In seiner Dummheit und Ignoranz hat er ganze Arbeit geleistet. Jetzt scheint die Epidemie allmählich abzuebben. Seit drei Tagen haben wir keine neuen Erkrankungsfälle mehr registriert. Und nicht jeden mußten wir dem Totengräber übergeben. Gott sei Dank gibt es immer wieder Menschen, die die Krankheit überstehen und das Krankenhaus auf eigenen Beinen verlassen können. Sie geben uns Hoffnung.
Ich bin so müde! Auch Doktor Andrews sieht aus, als würde er kurz vor dem Zusammenbruch stehen. Seit Ausbruch der Seuche sind wir Tag und Nacht im Einsatz. Lange werden wir das nicht mehr durchhalten. Und wenn es dann immer noch nicht vorbei ist? Dann wird sich unser kluger, selbstgerechter Militärbefehlshaber etwas einfallen lassen müssen.
Stimmen ließen Julia von ihrer Lektüre aufblicken. Es war noch früh am Morgen, und bisher war sie die Einzige am Pool gewesen.
Marco hatte sich gleich nach dem Frühstück wieder ins Bett gelegt. Es ging ihm zwar bereits besser, er hatte Toast mit Butter gegessen und schwarzen Tee getrunken, aber er war noch etwas wackelig auf den Beinen und müde von den Medikamenten. Die anderen Gäste des Hotels schliefen entweder noch oder saßen gerade im Restaurant.
David kam mit einer Gruppe von fünf Kindern im Alter zwischen sechs und zehn Jahren zum Pool. Sichtgeschützt hinter einem Blumenkübel beobachtete Julia, wie die Jungen und Mädchen unter seiner fachkundigen Anleitung erste Schnorchelerfahrung machten. Die Luft war erfüllt von Planschen und Gelächter. Sie dachte an ihre drei daheim in Hamburg. Ihnen hätte der Unterricht gewiss auch Spaß gemacht. David war ein ausgezeichneter Lehrer, geduldig und humorvoll, und die Kinder himmelten ihn an. Als die Stunde um war, sammelte er Taucherbrillen, Schnorchel und Schwimmflossen in eine Kiste und schleppte neues Gerät herbei – Tauchermasken, Atemgeräte und Flossen für Erwachsene.
Julia stand auf und trat zu ihm. »Guten Morgen!«
»Hallo, Julia!« Er sah auf und lächelte.
»Gibst du hier im Hotel Unterricht?«
»Eine Schnupperstunde. Erster Kontakt mit dem Atemgerät.« Er ließ
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