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Haus des Glücks

Haus des Glücks

Titel: Haus des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Winkler
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Haushalt, Kinderreigen und Basteleien mache. Ich werde gewiss eine lausige Hausfrau und Mutter sein. Oder wenn ich überhaupt keine Kinder bekommen kann? Was dann?«
    »Dann antworte ich dir mit einem Wort von Augustinus von Hippo, das mir bisher in allen Lebenslagen und durch alle Schwierigkeiten geholfen hat:
Tu, was du kannst, und bete um das, was du nicht kannst, so wird Gott dir geben, dass du es kannst.
« Sie streichelte Victorias Gesicht und wischte ihr die Tränen von der Wange. »Mein Kind, ich bin fest davon überzeugt, nein,
ich weiß,
dass du eine wunderbare Ehefrau und Mutter sein wirst. Du liebst John von ganzem Herzen, und er liebt dich. Das spürt man, wenn man euch beide sieht. Ihr zwei gehört zusammen. Und das allein zählt in diesem Augenblick. Alles Weitere wird sich finden.«
    »Danke, Mutter«, flüsterte Victoria und wischte sich mit ihrem Taschentuch die Tränen aus den Augenwinkeln.
    »Dafür nicht«, sagte ihre Mutter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »So, jetzt stell ich dich endlich vor den Spiegel.«
    Victoria seufzte und ließ sich mit gesenktem Kopf führen. Wollte sie das? Diesen Triumph der Eitelkeit? Wollte sie wirklich in ihr von Zweifeln zerfurchtes Gesicht sehen?
    »Jetzt schau hin, wie schön du bist.«
    Zaghaft hob sie den Blick. War die junge Braut in dem weißen Kleid mit Schleier im Spiegel wirklich sie? Verwundert registrierte sie ihre rosigen, von schimmernden blonden Haaren umrahmten Wangen, die leuchtenden Augen, ihre stolze, aufrechte Haltung. Selbst ihr fiel auf, dass sie von innen heraus strahlte. Mochte sich auch ihr Kopf noch mit Zweifeln und Grübeleien abplagen, ihr Körper hatte sich offenbar entschieden.
    »Bist du bereit, Victoria? Vater wartet vor der Tür, und die Kutsche steht vor dem Haus.«
    »Ja.«
    Ihre Mutter reichte ihr einen Strauß roter Rosen, ihren Brautstrauß, und öffnete die Tür.
     
    Gotthard hatte schon eine Weile vor der Tür gestanden. Während er auf seine Tochter wartete, war ihr Leben an ihm vorbeigezogen – ihre Geburt, die ersten gestammelten Worte, die ersten unbeholfenen Schritte, die Einschulung, ihre Entscheidung, Medizin zu studieren, der Unfall. Bisher war sie immer noch sein Kind, sein kleines Mädchen gewesen. Mit dem heutigen Tag änderte sich das. Wenn er spätabends aus der Bibliothek kam, waren fortan nicht mehr ihre ruhigen und gleichmäßigen Atemzüge hinter der geschlossenen Zimmertür zu hören. Vom heutigen Tag an war Victoria erwachsen. Ein anderer Mann würde sich um ihr Wohlergehen kümmern und für sie sorgen. Und Gott allein wusste, wie schwer dieser Gedanke ihm fiel.
    Die Tür öffnete sich.
    »Wir sind so weit«, sagte Klara leise. Mit einem liebevollen Lächeln legte sie ihm eine Hand auf den Arm. Sie kannte ihn besser als jeder andere Mensch auf der Welt. Sie ahnte, wie schwer ihm das Herz in diesem Augenblick war. Ihre Nähe tröstete ihn, und er wünschte sich ihre Stärke, als er seine Tochter, seine Victoria als Braut vor sich stehen sah. Sie war wunderschön. Und doch war es immer noch der Blick seines kleinen Mädchens, der ihn aus klaren blauen Augen traf.
    Gotthard spürte ein Kratzen in der Kehle. Eigentlich sollte er der jungen Braut jetzt als Vater etwas auf den Weg geben, ein paar erhebende Worte sagen, einen Segen sprechen. Doch er konnte nicht. Er zitterte, als er die schmalen Hände seiner Tochter ergriff. Und als er sie auf die Stirn küsste, lief eine Träne seine Wange hinab. »Bist du bereit?«, fragte er heiser und wünschte sich, sie würde einfach den Kopf schütteln und für immer bei ihm bleiben. Doch der selbstsüchtige Gedanke verflog rasch. Seine Kinder waren nicht sein Eigentum, sondern eine Leihgabe. Er hatte nicht das Recht, sie an sich zu fesseln.
    Victoria nickte, und er reichte ihr seinen Arm. Vorsichtig geleitete er sie die Treppe hinunter und aus dem Haus. Die Kutsche, die sie zur Dreifaltigkeitskirche fahren würde, wartete bereits auf sie.
    Die Fahrt war kurz. Viel zu kurz. Ebenso wie der Weg die Stufen hinauf zum Portal. Blumenkinder streuten rote Rosen und Nelken auf den Weg vor Victoria. Als sie die Kirche betraten, erhoben sich die Gäste, die Orgel setzte ein. Reihe für Reihe schritten sie voran, und noch nie war Gotthard der Weg zum Altar so kurz vorgekommen. In diesem Gotteshaus waren seine Kinder getauft worden, in dieser Bank dort saßen sie an jedem Sonntag während des Gottesdienstes. Der Pastor sah ihnen mit einem Lächeln entgegen. Ihm war die

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