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Haus des Glücks

Haus des Glücks

Titel: Haus des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Winkler
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geschrieben hatte. Was war sie nur für eine Ehefrau! Gerade jetzt brauchte er sie mehr denn je. Aber sie wollte ihn auch nicht anlügen. »Es ist gewiss nicht leicht, John«, sagte sie leise. »Ich vermisse meine Eltern sehr. Und nie zuvor ist mir bewusst geworden, wie sehr ich Hamburg liebe – die Alster, Sankt Michaelis, selbst das neugebaute Rathaus mit seinen seltsamen Spitzbögen. Aber, ich weiß, dir geht es auch nicht besser. Wir sind nicht allein, John. Wir haben uns. Und gemeinsam werden wir es schaffen, auch mitten in der Südsee glücklich zu werden.«
    »Vorausgesetzt, dass uns die Wilden nicht auffressen«, fügte John hinzu.
    »Glaubst du, dass das wirklich stimmt?«, fragte Victoria. »Ich meine, könnte es nicht sein, dass es sich bei diesen Geschichten einfach um Seemannsgarn handelt?«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte John und zuckte mit den Schultern. »Der Buchhändler pries das Werk als Tatsachenbericht eines Südseereisenden an. Sozusagen ein Alexander von Humboldt des Pazifiks.«
    Victoria erschauerte.
    »Ist dir kalt, Liebling? Soll ich dir deinen Umhang holen oder wollen wir lieber in die Kabine gehen?«
    »Nein, mir ist nicht kalt. Es ist nur … Wenn ich daran denke, das alles könnte wahr sein, läuft es mir eiskalt den Rücken hinunter.« Sie sah ihn an. »Eigentlich sollte man vorbereitet in ein fremdes Land ziehen. Aber was hältst du davon, wenn wir dieses Buch in Anbetracht der Umstände einfach über Bord werfen und uns überraschen lassen? Auf Samoa war der Autor offenbar nicht, und möglicherweise ist es dort nicht so schlimm, wie er schreibt.«
    John lächelte und strich ihr zärtlich eine Strähne aus dem Gesicht, die der Wind gelockert hatte. »Du hast recht, mein Liebling. Wir werden das dumme Buch in den untersten Winkel unserer Bücherkiste verbannen. Und wer weiß, vielleicht werden wir eines Tages über diese Schreckensgeschichten lachen und dem Autor einen Brief schreiben, in dem wir ihn über seine Irrtümer aufklären?«
    »Das ist ein guter Vorschlag.« Sie schmiegte sich noch enger an ihn und überlegte, wie lange die Post von Samoa nach Deutschland unterwegs war. Vier Monate? Sechs? Oder ein Jahr? Ob der Autor bis dahin überhaupt noch leben würde?
     
    »Herr Doktor, die beiden englischen Herren von gestern sind da. Sie haben keinen Termin. Soll ich …«
    »Nein, Schwester Gudrun. Schicken Sie sie herein und bitten Sie Frau Jansen um ein bisschen Geduld. Ich denke, es wird nicht lange dauern.«
    »Wie Sie wünschen.« Die Krankenschwester verschwand und kam kurz darauf mit den Anwälten zurück.
    Sein Herz klopfte. Er dachte an die Vorwürfe, die er in den vergangenen Stunden über sich hatte ergehen lassen müssen – die von seiner Frau, die von Andrew und Meredith, und die, die er sich selbst machte. Er hatte gehört, dass Johns Geldgeber ein zwar einflussreicher, aber cholerischer Lord war, der im ganzen englischen Königreich gefürchtet wurde. Andrew hatte erzählt, dass bereits viele Männer, die sich mit diesem Mann überworfen hatten, eines plötzlichen Todes gestorben waren. Wie hatte er nur so naiv sein können, den fremden Rechtsanwälten zu vertrauen?
    Gotthard reichte beiden die Hand. Er hatte das Gefühl, vor seinen Richtern zu stehen. Wie würden sie urteilen: Freispruch oder der Galgen?
    »Guten Tag, Herr Doktor.«
    Strange erwiderte den Händedruck überraschend herzlich. Seine Lippen umspielte ein Lächeln, das ihn heute fast wie einen gütigen Großvater erscheinen ließ. Ein günstiges Zeichen? Oder ein Indiz für die Gerissenheit des Anwalts und die Unnachgiebigkeit seines Klienten?
    »Wir wollen Sie nicht lange belästigen«, fuhr er fort. »Wir haben soeben die telegraphische Antwort aus London erhalten und wollten Ihnen das Ergebnis mitteilen. Aber vielleicht lesen Sie selbst? Sind Sie des Englischen mächtig?«
    Gotthard nickte. Mit zitternden Händen nahm er das Telegramm entgegen. Er faltete das Papier auseinander und blinzelte. Für einen Moment verschwammen die Buchstaben vor seinen Augen. Dann las er:
    »Very good news! To know John Seymour living at world’s end for the rest of his lifetime is all I ever dreamt of. Well done!«
    Er faltete das Blatt zusammen und schluckte. »Verstehe ich richtig, dass Ihr Klient …«
    »Jawohl, Herr Doktor, wie wir gestern angedeutet haben, verzichtet er unter diesen Umständen auf alle seine Forderungen. Wir haben auch bereits die nötigen Schritte unternommen, um Ihren Schwiegersohn davon

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