Haus des Todes
Blick zu meinem Handy auf dem Beifahrersitz und warte darauf, dass es gleich klingelt und Schroder mir mitteilt, dass sich der Plan geändert hat, weil soeben Opfer Nummer fünf und sechs gefunden wurden. Doch es klingelt nicht, und so erreiche ich tatsächlich die Stadt und Froggies Diner an der Hereford Street, zwei Blocks vom Polizeirevier entfernt.
Das Diner gibt es erst seit fünf Jahren, aber es kommt mir so vor, als existierte es schon ewig. Wenige Tage nach seiner Eröffnung wurde es für sämtliche Cops hier zur zweiten Heimat, die meisten von uns verbringen mindestens fünf Stunden pro Woche dort. Zwischen sieben und neun Uhr morgens findet man manchmal nur mit Glück einen Platz. Es ist wie eine typische Raststätte eingerichtet, mit einem langen Resopaltresen und Hockern davor und Sitzecken mit rotem Kunststoffpolster entlang einer Fensterfront sowie mit Plakaten des historischen New York an den Wänden. In einer Ecke steht eine Jukebox, die CDs und MP3s abspielt; die tiefstehende Morgensonne scheint durch die Fenster und wird von den Plastik-und Glasverkleidungen in sämtlichen Spektralfarben zurückgeworfen. Als ich eintrete, schlägt die Tür gegen eine Glocke. Ich rechne damit, dass Schroder um sechs Uhr morgens der einzige Gast hier ist, aber Irrtum – das Diner ist zu einem Viertel gefüllt mit müden Polizisten, die alle genauso schrecklich aussehen wie Schroder, der wiederum genauso schrecklich aussieht wie ich. In einer Sitzecke hockt Detective Kent und nippt an einem Kaffee, während sie, den Blick aus dem Fenster gerichtet, angeregt
telefoniert. Ich beobachte sie ein paar Sekunden, und als sie sich umdreht, bemerkt sie mich und lächelt. Ich erwidere ihr Lächeln, sehe ihr einen Moment in die Augen und gehe dann zu Schroder an den Tresen.
Vor ihm steht ein Teller mit Speck, Eiern und Pilzen, daneben wartet ein Teller mit dem gleichen Frühstück auf mich. Ich bin seit drei Jahren nicht mehr hier gewesen. Es gibt einen Kaffee für mich und einen für ihn, sie dampfen noch, und nur weil sie so heiß sind, kippe ich nicht gleich beide hinunter. Ich setze mich neben Schroder. Hinten in der Küche hockt ein Koch und verputzt gerade sein eigenes Frühstück. Eine Kellnerin bringt das Essen an einen der Tische, die andere wischt den Tresen ab. Die Frau, die die Gäste bedient, trägt ein enges T-Shirt, das ihr sehr gut steht, mit der Aufschrift 5 x 5 = 25 und darunter Gute Zeiten . Sie bemerkt meinen Blick und weiß offensichtlich nicht, ob ich nachrechne oder auf ihre Brüste starre und mich frage, was mit den guten Zeiten gemeint ist. Dann dreht sie sich um. Und auf der Rückseite ihres T-Shirts steht 4 x 4 = 15 und Schlechte Zeiten .
»Was hast du von Morgan erfahren?«, fragt Schroder.
»Hayward war ein vorbildlicher Mitarbeiter. Er ist gegen halb elf allein vom Büro aus aufgebrochen. Abends um diese Zeit fährt man höchstens fünfzehn, zwanzig Minuten bis zu ihm nach Hause. Um elf Uhr zweiunddreißig hat seine Frau die Polizei benachrichtigt. Sie vermutet, dass er seit zehn Minuten zu Hause war, als sie nach ihm gesehen hat. Damit ergibt sich ein Zeitraum
von dreißig Minuten, von dem wir nicht wissen, was er währenddessen getan hat.«
»Vielleicht wissen wir doch nicht so wenig«, nuschelt Schroder mit dem Mund voller Speck. »Ich habe gerade mit der Gerichtsmedizinerin gesprochen und ihr von unserer Theorie erzählt. Bei einer vorläufigen Untersuchung der Leiche hat sie Spuren von Lippenstift am Penis gefunden.«
»Entweder hatte er eine Affäre«, sage ich, »und dafür nur dreißig Minuten Zeit, oder er war bei einer Prostituierten.«
»Oder aber er steht einfach total auf Lippenstift«, sagt Schroder.
»Gibt es etwas, das du mir gestehen willst?«, frage ich.
Er lacht. »Selbst wenn er bei einer Nutte war, das ist nicht illegal.«
»Doch, wenn sie keine Steuern zahlt.«
»Ja, vielleicht hat Hayward sie im Gegenzug für ihre Dienste bei der Buchführung beraten.«
Jetzt ist es an mir, mich auf den Speck zu stürzen. Er ist knusprig, leicht angebrannt, genau wie ich ihn mag. Ich esse einen Streifen davon und kann nicht mehr aufhören, stopfe mir einen zweiten in den Mund, dazu etwas Ei, ein paar Pilze, und der Geschmack bringt mich wieder auf Trab. Ich greife nach dem Kaffee, aber er ist immer noch zu heiß.
»Wir sollten seinen Gürtel auf Fingerabdrücke überprüfen und seinen Wagen auch. Vielleicht ergibt sich eine Übereinstimmung. Vielleicht hat sie einen Eintrag
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