Haus des Todes
nachgehst, Tate.«
In der Akte steht nichts von Prostitution, denn die einzige Straftat im Zusammenhang damit ist das Hinterziehen von Steuern. Ob man nun in Erfüllung seiner Pflicht sein Leben aufs Spiel setzt oder einen Orgasmus vortäuscht, das Finanzamt will seinen Anteil. In der Akte steht ihre letzte bekannte Adresse. Hoffentlich ist sie noch aktuell.
»Mein Gott«, sage ich, »wenn sie bei ihm im Wagen war, dann arbeitet sie als Prostituierte. Dann hat die Tatsache, dass Bray Hayward sie mitgenommen hat, vielleicht gar nichts mit seinem Tod zu tun. Denn die anderen Opfer haben keine Prostituierten mitgenommen.«
»Es ist eine Spur«, erinnert mich Schroder. »Auch wenn sich wahrscheinlich nichts draus ergibt, musst du ihr nachgehen.«
»Und was ist mit den Stichverletzungen?«, frage ich.
»Pass auf, ich treffe mich unten im Leichenschauhaus mit der Gerichtsmedizinerin, und zwar in …«, er wirft einen Blick auf seine Uhr, »gut einer Stunde. Solltest du dann schon fertig sein, kannst du gerne dazustoßen. Aber erst redest du mit dieser Frau. Nimm ihre Aussage auf. Wir müssen jeden Ermittlungsstrang verfolgen, Tate. Daran hat sich nichts geändert.«
Kapitel 20
Wir gehen zusammen nach unten. Statt des Fahrstuhls nehmen wir die Treppe. Entweder um Energie zu sparen, wie das die Menschen überall auf der Welt tun sollten, oder um in Form zu bleiben. Unten angekommen betritt Schroder durch eine Seitentür den Parkplatz, während ich durch die Empfangshalle und die Haupttreppe hinunter zur Straße laufe. Dort ist Superintendent Stevens von einem Halbkreis von Reportern umringt, sein kahl rasierter Schädel glänzt im Sonnenlicht. Er hat die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden, nur Jonas Jones löst sich von der Gruppe, als er mich sieht. Ich verzichte darauf, mir Stevens’ Erklärung und die anschließenden Fragen anzuhören. Jones folgt mir. Ich schätze, ich könnte zwar versuchen, ihn abzuhängen, doch ein Mann mit seinen Fähigkeiten weiß natürlich, wo ich geparkt habe.
Als ich meinen Wagen erreiche, der einen halben Block entfernt steht, muss ich feststellen, dass jemand beim Zurücksetzen in ihn hineingefahren ist, das linke Vorderlicht ist kaputt, und auf dem Boden liegen Glassplitter. Es wurde allerdings keine Nachricht hinterlassen. Ich schiebe die Splitter mit meinem Fuß Richtung Bordstein. Der Verkehr staut sich von einer Ampel zur nächsten, Scharen von Leuten sind auf dem Weg zur Arbeit.
»Lassen Sie mich raten«, sage ich und drehe mich zu Jones um, »als Sie heute Morgen aufgewacht sind, wussten Sie, dass jemand meinen Wagen beschädigen wird.«
»Wirklich lustig, Detective. Habe ich das richtig verstanden? Sie sind wieder Detective Inspector?«
»Sagen Sie’s mir.«
»Ich kann Ihnen helfen, Detective. Wir können uns gegenseitig helfen. Ich habe diese besondere Gabe, und wenn Sie das ignorieren, verlieren Sie nur Zeit.«
»Sie sind unglaublich«, sage ich. »Das ist der zweite Versuch heute Morgen. Sie müssen wirklich verzweifelt sein.«
»Schicken Sie mich nicht weg, Theodore. Ich kann Ihnen helfen. Das hier ist die Gelegenheit für uns beide, etwas Gutes zu tun.«
»Und Sie werden dann ein Buch darüber schreiben, oder?«
»Ich werde Sie darin erwähnen. Und natürlich bezahlen. Denn wenn ich mir Ihren Wagen so anschaue, scheinen Sie es nicht gewohnt zu sein, dass man Sie bezahlt.«
»Lecken Sie mich«, sage ich.
»Ich kann Ihnen helfen, Theodore.«
»Ach ja? Wie wär’s, wenn Sie mir dann verraten, was es mit den Stichwunden auf sich hat?«
»Warum erzählen Sie mir nicht von dem Fall? Ob Sie mich nun für einen Schwindler halten oder nicht, wir können uns gegenseitig helfen. Ich weiß, was in den Köpfen der Menschen vor sich geht. Zumindest das sollten Sie mir zugestehen.«
»Dann müssten Sie eigentlich wissen, was ich gerade denke«, erkläre ich und fahre los. Er schaut meinem Wagen einen Moment lang hinterher, dann dreht er sich um und geht den Weg zurück, den er gekommen ist.
Die Temperaturen klettern weiter in die Höhe. Vor der ersten Ampel, an der ich halte, ziehe ich meine Jacke aus. Meine innere Uhr ist durch die Umstellung auf die Winterzeit ein wenig aus dem Takt gekommen – aus irgendeinem Grund fühlt es sich jedes Mal so an, als würde die Uhr nicht bloß um eine Stunde vor- oder zurückgestellt, sondern um sechs. Ich halte an einem Café und hole mir einen weiteren Kaffee, denn den kann ich mir jetzt ja wohl leisten. Außerdem,
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