Hausbock
Sache.«
Esslinger steckte eine Hand in die ausgebeulte Tasche seiner Bundeswehrhose
und zog ein kleines schwarzes Fernglas heraus. Er reichte es Morgenstern, der
es sich an die Augen hielt, die Mühle ins Visier nahm und scharf stellte.
»Das habe ich immer am Mann«, sagte Esslinger stolz. »Damit zähle
ich die Kormorane. Ich führe genau Buch. Es werden immer mehr. Das ist in den
letzten drei Jahren eine richtige Kolonie geworden. Irgendwann, ich sage es
Ihnen, bringe ich meine Motorsäge mit und lege ihren Baum um. Mit allen
Nestern. Das lasse ich mir nicht mehr lange gefallen. Diese Viecher sind eine
einzige Provokation. Wissen Sie eigentlich, wie viel Fisch so ein Vogel am Tag
verschlingt?«
»Ist ja gut«, sagte nun auch Hecht.
»Dieser Hecht war jedenfalls zu klein, gerade achtundvierzig
Zentimeter, und ich werfe ihn gerade rein, da höre ich ein Motorrad kommen.«
»Hier bei Ihnen?«
»Nein, drüben auf der anderen Talseite. Aber nicht auf der Straße.
Das kam über den Hang runter durch den Wald.«
»Dann war es eine Geländemaschine?«, fragte Morgenstern und warf
Hecht einen bedeutungsschweren Blick zu.
»Ja, eine richtig große. Er ist dann eine Weile stehen geblieben.
Ist abgestiegen und hat zur Mühle geschaut.«
»Wer ist er?«, fragte Morgenstern.
»Na, der Fahrer halt. Der hatte einen Helm auf, wie es sich gehört.
Und nach einer Weile fährt er über die Wiese das letzte Stück zur Mühle und
stellt seine Maschine hinter der Garage ab.«
Morgenstern hatte immer noch das Fernglas in der Hand. Er hielt es
sich nun erneut vor die Augen und schaute zur Mühle. Ein tadelloser Blick.
»Es dauert ein bisschen, dann kommt der Typ mit einer Tüte in der
Hand um die Ecke gebogen, immer noch den Helm auf. Er geht zur Rückseite vom
Haus und verschwindet da. Ich hab dann nicht mehr weiter nach ihm geschaut,
denn was geht das mich an? Erst als er nach vielleicht zwanzig Minuten wieder
aufgetaucht ist, ist er mir wieder eingefallen. Er steigt auf die Maschine und
fährt auf demselben Weg durch den Wald davon.«
»Und drei Tage später geht die Mühle in Flammen auf«, sagte
Morgenstern. »Und als Sie das in der Zeitung lesen und unseren Zeugenaufruf, da
kommt Ihnen die Sache spanisch vor.«
»Exakt so ist es«, sagte Esslinger eifrig. »Da hat einer die Mühle ausspioniert.
Am helllichten Tag. Ich war der Meinung, das sollten Sie wissen.«
»Gut gemacht«, lobte Morgenstern. »Wenn Sie uns jetzt noch ein paar
Details zu diesem Motorrad nennen oder auch zum Fahrer, dann sind Sie unser
Held. Welche Farbe hatte denn die Maschine?«
Esslinger schüttelte den Kopf. »Ich glaube, sie war weiß-blau. Mit
einem schwarzen Kunststoffkoffer hintendrauf. Eine richtig schwere Maschine.
Manchmal schaue ich mir Motocross-Rennen an, die gibt es in Bechthal im Sommer.
Hier in der Gegend haben viele junge Burschen solche Maschinen. Die fahren
kreuz und quer durchs Gelände. Da sollte die Polizei mal ein schärferes Auge
drauf haben. Wozu gibt es denn die Naturschutzgebiete?«
Morgenstern dachte an den Autostellplatz des Anglers direkt neben
der Anlauter, sagte aber nichts.
»Und den Helm hat er nie abgenommen?«, fragte Hecht.
»Leider nein«, sagte Esslinger. »Vielleicht hinterm Haus, aber
nicht, als ich ihn gesehen habe. Da hilft auch kein Fernglas. Das Nummernschild
konnte man auch nicht sehen. Diese Burschen biegen die Schilder an
Geländemaschinen immer nach oben. Angeblich damit Dreck und Steine nicht am
Schutzblech hängen bleiben. Aber wissen Sie was: In Wirklichkeit ist das ein
alter Trick, damit die Polizei das Kennzeichen nicht lesen kann.«
Morgenstern nickte zustimmend. »Das ist einschlägig bekannt. Aber
kein Fall für die Kripo. Können Sie vielleicht etwas zu dieser Tüte sagen?«,
fragte er ohne große Hoffnung.
»Nein, leider nicht.« Esslinger streckte die Hand nach seinem
Fernglas aus. Morgenstern reichte es ihm, und er hielt es sich vor die Augen
und spähte hinüber zur Mühle, als könnte das seiner lahmenden Erinnerung auf
die Sprünge helfen.
»Das war ein weißer Beutel. Ich glaube eigentlich nicht, dass es Plastik
war. Eher so ein Stoffding, so eine Öko-Tragetasche. Ist auch viel
vernünftiger, wenn man es genau betrachtet. Für die Umwelt.« Er lächelte. »Wir
Angler sind ja alle Umweltschützer. Wir sind die wahren Naturfreunde. Wer ist
denn bei jedem Wetter draußen? Nur wir, und natürlich noch die Jäger. Aber all
diese selbst ernannten Umweltschützer, die haben doch
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