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Hausbock

Hausbock

Titel: Hausbock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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mit
Fachwerkbalken, Geranien an den Fensterbänken und Biergärten. Hoch über dem Tal
stand im Wald die Ruine einer Ritterburg. Auf der anderen Talseite, hinter der
Dorfkirche, erhob sich kahl und von der Sonne ausgedörrt ein Trockenrasenhang,
gesprenkelt von Wacholderbüschen und gekrönt von einem großen Kreuz, das
hinabgrüßte zu Autobahn und Hochgeschwindigkeitszügen.
    Rudolf Esslinger wohnte etwas abseits der Hauptstraße in einem
kleinen Häuschen mit spitzem Giebel. Ein typisches Arbeiterhaus aus den
fünfziger Jahren. Billig und mit viel Eigenleistung erbaut.
    Morgenstern klingelte am Gartentörchen, und ein schmaler Mann von
etwa fünfzig Jahren öffnete die Haustür. Er trug eine olivgrüne Bundeswehrhose
und ein ebenfalls olivgrünes Hemd.
    »Das ging aber schnell«, rief er. »Ich komme gleich.« Er schlüpfte
in ausgetretene Turnschuhe, die vor dem Haus standen, zog die Tür hinter sich
zu und stieg dann in sein Auto, einen ungepflegten alten Opel. Hecht und
Morgenstern fuhren hinterher. Eigentlich hätten sie sich direkt an der
Schwarzmühle treffen können, aber die Kommissare schauten nach Möglichkeit bei
ihren Zeugen zu Hause vorbei, um sich zumindest einen ersten Eindruck von ihren
Lebensverhältnissen und letztlich ihrer Glaubwürdigkeit zu machen.
    Sie fuhren talaufwärts bis kurz vor die Ruine der Schwarzmühle. An
einem unscheinbaren Feldweg bog Esslinger ab, und es ging an einer langen
Schlehenhecke vorbei und über eine provisorische Brücke über die Anlauter.
Schließlich stellten sie ihre Autos ab.
    »Da wären wir«, sagte Esslinger und atmete tief durch. »Das ist mein
Stammplatz. Hier angle ich.«
    »Schön hier«, sagte Hecht und sah sich um. Neben ihnen rauschte die
Anlauter, drei Meter breit und flach. Gurgelnd wie ein Gebirgsbach, umrahmt von
Weiden, Gebüsch und Brennnesseln.
    »Gutes Forellenwasser«, sagte Esslinger. »Aber man braucht Geduld.«
    »Sind Sie oft hier?«, fragte Hecht.
    »So oft, wie’s geht. Zu jeder Tages-und Nachtzeit.«
    »Gut. Dann erzählen Sie uns jetzt bitte, was Sie hier gesehen
haben«, sagte Morgenstern. »Dafür sind wir hier.«
    Sie standen an den Dienstwagen gelehnt und schauten zu der Stelle,
an der bis vor wenigen Tagen noch die Schwarzmühle gestanden war. Keine dreihundert
Meter entfernt.
    »Wie gesagt, das ist mein Stammplatz. Ich stelle mein Auto immer
hier hinter der Hecke ab, auf der Wiese.«
    Morgenstern nickte. Das war ihm auch an der Altmühl schon
aufgefallen, dass Angler sich prinzipiell weigerten, auch nur einen Meter zu
viel zu Fuß zu gehen. Die meisten würden wohl am liebsten direkt vom Fahrersitz
aus ihre Angeln ins Wasser halten.
    »Man hat Ihr Auto von drüben also nicht gesehen?« Hecht deutete zur
Mühle.
    »Nein, ich mag das nicht, wenn jeder weiß, dass ich da bin. Ich will
meine Ruhe, sonst nichts. Und so war das auch am vorletzten Mittwoch. In aller
Herrgottsfrühe.«
    »Wie früh?«
    »Ich war ab halb fünf da. Da ist es am schönsten. Der Nebel liegt im
Tal. Manchmal kommt ein Graureiher.« Ein bitterer Zug umspielte seinen Mund.
»Und diese verdammten Kormorane sind auch schon unterwegs. Sehen Sie da drüben
den Baum?« Er deutete auf eine hundert Meter entfernte Weide. »Da hocken sie
immer, die schwarzen Teufel. Sehen Sie das? Der ganze Baum ist verschissen.« Er
formte Daumen und Zeigefinger der rechten Hand zur Pistole und drückte dreimal
ab. »Wenn es nach mir ginge, würden diese Biester hier keine Fische mehr
rausholen. Der Kormoran unter Artenschutz, dass ich nicht lache. Ein Räuber ist
das! Eine Landplage!«
    »Schon gut, schon gut«, beschwichtigte Morgenstern. »Sie waren
jedenfalls am Mittwochmorgen hier. Und dann?«
    »Dann ist kurz vor sieben Uhr der Herr Ledermann aus dem Haus
gekommen. Mit Anzug und Aktentasche. Wie immer. Nach dem kann man die Uhr
stellen.«
    »Kennen Sie ihn?«, fragte Hecht.
    »Nicht richtig. Und er kennt mich sowieso nicht. Ich halte immer
schön Abstand. Ich will nur meine Ruhe.«
    »Das sagten Sie schon«, stellte Morgenstern fest.
    »Der Herr Ledermann holte also seinen Mercedes aus der Garage und
fuhr weg. Zur Arbeit. Ich fische in aller Ruhe weiter. Ich habe sogar einen
Hecht erwischt. Aber der war leider um zwei Zentimeter zu klein. Beim Schonmaß
bin ich akkurat. Ich habe ihn also wieder reingeworfen. Den hole ich mir im
nächsten Jahr wieder, wenn ihn vorher nicht der verdammte Kormoran –«
    »Bitte!«, sagte Morgenstern mit Nachdruck. »Kommen Sie zur

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