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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Gelände heru m – es war ein Fuchs mit leuchtend rotem Fell, der immer mit der Dämmerung auf die Lochow-Wiesen kam. Das Schwimmbad selbst war, so sah es zumindest aus, seit Jahrzehnten nicht mehr renoviert worden. Die Eisengestänge waren halb verrostet, die Farbe blätterte ab, und Metallteile, rostig-bunt, trieben auf dem Wasser. Im Lochow gab es keine Benimmregeln, man konnte kaum eine Bahn am Stück schwimmen, ohne sich vor Leuten, die von der Seite ins Wasser arschbombten, retten zu müssen. Rentner, Teenager, Studenten, Familien, Kinderrudel, einsame Wölf e – alle gingen ins Lochow. Viele Typen saßen allein herum und beobachteten die Mädchen. Oder glotzten die Jungen an, besonders die, die das Zehnmeterbrett erklommen. So marode, wie die hohen Sprungtürme aussahen, hätte ich mich nie hinaufgetraut, aber im Lochow ist, soweit ich weiß, nie irgendetwas passiert.
    Besonders beliebt waren die Pommesbuden, vor denen sich alle drängelten. Kein Mensch verschwendete einen Gedanken an gesunde Ernährung im Lochow, es gab nichts anderes zu kaufen als öltriefende Pommes und Cola, Fanta oder Sprite.
    Die Stimmung im Lochow war meistens gut. Selbst im Frühjahr, wenn die Temperaturen noch nicht zu einem Freibadbesuch einluden, war es geöffnet. Auch vormittags war es voll hier; niemand schien einer geregelten Arbeit oder Ausbildung nachzugehen. Ein paar Studenten hatten immerhin Bücher auf ihren Knien liegen. Viele Menschen gingen nur ins Lochow, um andere zu treffen oder um in der fahlen Berliner Sonne herumzulungern und sich dabei vorzustellen, am anderen Ende der Welt und glücklich zu sein. Das Lochow war ebenso ein Ort des Aufbruchs wie der Ankunft, ein Ort, den man unbedingt hinter sich lassen und unbedingt erreichen wollte, ein Ort der Ablenkung und der Erfüllung, es war ebenso scheußlich wie großartig, ein Ort des kleinen und doch auc h – mit dem schönen Fuchs, der in der Dämmerung mit gerecktem Kopf und schmalen Augen beinahe feierlich über die Massen halbnackter Menschen blickt e –, zumindest als Ahnung: des großen Glücks.
    Heute war wieder einmal viel Betrieb im Lochow; wir brauchten ewig, um hineinzukommen. Vor den Drehkreuzen am Eingang herrschte Gedränge, eine Jungsgruppe in Boxershorts brüllte herum und warf Knallteufel nach einer Mädchengruppe, die erst laut herumgackerte, dann kreischend auseinanderstob, halbnackte Kinder zupften an ihren Müttern herum und quengelten, manchmal bekam eines von ihnen aus einer übervollen Plastikstrandtasche ein Maoam, ein Duplo oder eine Capri-Sonne gereicht, Väter schimpften, eine dicke Frau vor uns furzte unablässig, Schweiß hing in der Luft. Hier herrschte eine rüde Freizeitatmosphäre, die einen großen Vorteil bot: Man konnte sich selber auch daneben benehmen. Isa malte gerade liebevoll mit rosa Edding ein Ü an das Kassenhäuschen, und Fiona schmuggelte eine Riesenpackung Räucherstäbchen daran vorbei.
    Die Geräuschkulisse war ebenso einzigartig und unverwechselbar wie die Ouvertüre einer Oper. Man hätte mir ein auf Kassette aufgenommenes Kreischen, Grölen und Quietschen vorspielen können, und ich hätte gewusst: Das ist das Lochow. Und niemals das Freibad Wannsee. Oder etwa die Havel. Oder unser Schulhof. Es war ein lautes Dauergequietsche aus Hunderten von Kinderkehlen, dazwischen aufgeregte Mütter, kreischende Mädchen, brüllende Jungen und ebenso wenig vornehme, grölende Alte. Der Lärm hörte niemals auf; wenn man nach einem langen Tag im Lochow abends im Bett lag, meinte man, den Lochow-Lärm noch immer zu höre n – es war ein Ohrwurm, ähnlich wie das Geräusch von Legosteinen in einer Kiste, die kleine Hände gerade durchgraben, oder wie das Rascheln der Ratten bei uns im Hof oder der leidige Refrain der Polonäse Blankenese .
    Wir setzten uns auf unseren Lieblingshügel mit dem kniehohen Gras und breiteten unsere Frotteehandtücher au s – ich hatte eines mit den vier Beatlesköpfen drauf, das Wiebke mir geschenkt hatte, Fiona natürlich ein indisches Muster, Isa ein hellblaues mit einem weißen Schwan. Fiona steckte drei Räucherstäbchen ins Gras und zündete sie an. Wir hatten auf unserem Weg schon einige Möchtegerngitarristen gesehen, aber nicht den Yogalehrer, für den Fiona schwärmte. Sie beschloss, noch mal eine Runde in den ewigen Jagdgründen des Lochow zu drehen. Isa und ich lagen träge wie Krokodile in der Sonne. Bis Fiona zurückkam, würde eine Weile vergehen. Lange Zeit regten wir uns nicht, dann

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