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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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unsere Briefe trotzdem lesen. Allerdings überschätzten wir unser Englisch.
    »Jule, was heißt’n Todesstrafe auf Englisch?« fragte Fiona.
    Ich zuckte die Schultern. » Dyin g … Dying pai n … nee.«
    »Vielleicht schreiben wir einfach: › Killing by State ?‹«, schlug Fiona vor.
    »Genau, wir nehmen einfach: › We are against Killing by State of Président Kérékou, which is very unfair anyway against Adrien Glele. ‹«
    »Perfekt.«
    Am nächsten Morgen ging ich erst zur zweiten Stunde in die Schule. Ich hatte keine Lust, in Biologie rote, rosa und weiße Blumenreihen miteinander in Beziehung zu setzen. Statt mit der Genetik hielt ich es doch lieber mit John Lennon, der in Yer Blues sang: My mother was of the sky, my father was of the earth, but I am of the universe . Nur hatte John Lennon vergessen, Geschwister in seiner Theorie unterzubringen.
    Ich hätte in Biologie gern etwas über Delphine, Pinguine oder Wale gelernt, aber Genetik war der neueste Schrei in diesem Fach. Mich überfiel dabei ein Gefühl von Sinnlosigkeit. Vielleicht gefiel mir die ganze Evolution nicht, diese Endloskette, irgendetwas daran deprimierte mich, vielleicht die offensichtliche Monotonie. Warum sollte man sich überhaupt im Leben anstrengen, wenn doch alles von den blöden Genen geregelt wurde? Vielleicht hatte ich ja von meinen Eltern das Depri-Gen geerbt.
    Auf dem Schulhof war gestreut worden, alle standen im Matsch. Schnee wäre mir lieber gewesen. Auf den verwaisten Tischtennisplatten sammelte sich Dreck. Das uringelbe Wellplastikdach über den rostigen Fahrradständern war mit Eis, Schnee, Blättern, Moos und Erde bedeckt. Doch Larissas knallrotes Rolf, ich liebe dich war gut lesbar. Ich wäre am liebsten umgekehrt. Aber Fiona und Isa schlenderten schon auf mich zu. Fiona erkannte ich auch auf große Entfernung an ihrem hüftlangen geflochtenen Haar. Sie trug einen neuen Rucksack; er war aus weichem Leder und schöner als Isas und meine tintenbefleckten Leinentaschen. Ich machte große Augen.
    »Schickes Ding. Wie oft hast’n du pro Jahr Geburtstag?«
    »Den hat mir das Ekel gestern geschenkt, einfach s o – weil es meinte, ich bräuchte mal was Neues.«
    Fiona sah mich nicht an und streichelte abwesend ihren schönen Rucksack.
    »Was für ein liebenswürdiges Ekel!«, hörten wir hinter uns.
    Melanie, Larissas beste Freundin, ging gerade in ihrem neuen Anorak mit rosafarbenen Sternenapplikationen (ein Weihnachtsgeschenk ihres Vaters, wie wir alle, ob wir wollten oder nicht, erfahren mussten) an uns vorbei. So braun, wie sie war, musste sie ihr gesamtes Taschengeld auf Solarienbesuche verwenden. Dann steckte sie sich eine lange dünne Zigarette an, wobei sie diesen Moment, wie mir schien, möglichst auffällig inszenierte und viel mit ihrem Feuerzeug herumfuchtelte. Den »Kindergarten«, also uns Nichtraucherinnen, würdigte sie keines Blickes mehr.
    »Kugeritz machte ’ne komische Bemerkung, weil du wieder gefehlt hast«, meinte Isa.
    »Bin mit dem Schwänz-Gen geboren«, gab ich zurück.
    Im trüben Nachmittagslicht nach der Schule beobachtete ich den Hauser. Womit er auch immer sein Geld verdiente, er schien nicht viel zu tun zu haben. Er streckte sich, gähnte, zog sich wie ein kleines Kind die Decke über den Kopf, so dass nur noch die langen Locken zu sehen waren. Schließlich stand er auf, holte sich ein Bier und streckte sich wieder auf dem Bett aus. Nach dem Vitamindrink drehte er das Radio an, und Highway to Hell schallte über den Hof. Schwerfällig ging er auf eine Kiste zu, zog etwas, das wie ein Handtuch aussah, an einem Zipfel heraus und verschwand, immer noch in voller Ledermontur, im Bad. Hinter der schmalen Milchglasscheibe ging grünes Licht an. Der Hauser stand auf bunte Glühbirnen. Ich nahm mein Hauser-Heft und blickte nach draußen.
    Die dicken Tauben auf dem Fensterbrett nickten mit ihren pickenden Köpfen im Takt. Mit AC / DC schienen sie sehr gut leben zu können. Später ging Mecano mit Hoy no me puedo levantar los, und die Tauben stoben, wie um das Gegenteil zu beweisen, in die Lüfte.

Generation Pedes – Matratzenlager
    Als ich anderntags eine leere Fassbrause-Flasche neben den Mülleimer stellen wollte, rief Wiebke: «Kommst du mit zu Aldi , es gibt viel zu schleppen!« Meine Mutter sprang von ihrem Sitzball auf und drückte mir zwei Netze, eine übervolle Mülltüte und einen Ascheeimer in die Hand.
    »Tachjen.« Frau Koderitz huschte im Morgenmantel und in ihren Plüschpantoffeln

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