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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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aus dem Seiteneingang. Fred sprang ihr munter voraus. Das Fell des kleinen Hunds glänzte, er war sehr gepflegt. Anders als sein Frauchen. »Jehste eenkoofen?«
    Ich nickte. Ich war gewohnt, dass Frau Koderitz einen zuerst nicht wahrzunehmen schien, dann plötzlich eine Frage losließ, um danach sofort wieder in sich zu versinken. Isas Vater, der Gefängnispsychiater, hatte mal eine längere Bemerkung zu dieser Form der Vergesslichkeit und Ignoranz gesagt, aber, was soll ich sagen, ich hatte sie vergessen.
    »Frohes Neues«, fiel Wiebke jetzt ein. Wir hatten Februar.
    »Froet Neuet«, murmelte die Koderitz und sah weder Wiebke noch mich dabei an. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt Fred. Leise stöhnend bückte sie sich und tätschelte ihm den Hals. »Jaja, biste ufjeregt, du dumme, dumme Töle.«
    Obwohl sie Fred sehr zu lieben und er ihr einziger sozialer Kontakt zu sein schien, sprach sie von ihm meist nur als der »dummen Töle«. Jetzt reckte die Koderitz den Arm hoch und zeigte auf das flackernde Fenster der Pechs. »Dit nervt.«
    Wiebke und ich nickten sofort zustimmend.
    »Dit nervt!«, rief die Koderitz, angespornt von unserer freundlichen Reaktion noch mal mit Nachdruck. Fred kläffte zustimmend. Für einen Moment lächelte die Koderitz uns komplizenhaft an, dann fiel ihr Lächeln in sich zusammen, und sie schlurfte weiter, wobei sie mich leicht anrempelte.
    Wir wussten, dass die Pechs und sie seit Jahrzehnten miteinander im Clinch lagen, weil irgendein früherer Hund von den Pechs irgendeine längst verstorbene Töle von der Koderitz tierarztreif gebissen hatte. Wenn etwas nicht stimmte, dann dass Alkoholiker kein gutes Langzeitgedächtnis hatten.
    Wir machten noch einen Umweg zur Apotheke, in der Wiebke Nasentropfen für Falk kaufen wollte. Heute war der neue Verkäufer dort. Er behandelte uns ausgesprochen zuvorkommend. Auf seinem Kittel war ein Namensschild befestigt. »Adán« hieß er.
    »Haben Sie schon einen Kalender für dieses Jahr?«, fragte Herr Adán uns freundlich. Wiebke nickte, ich schaute ihn nur an. Dann öffnete er eine Schublade und drückte mir einen kleinen Kalender mit einer großen, goldenen 1982 auf dem Deckblatt in die Hand. Wenn er lächelte, bewegten sich die langen Bartenden über sein Gesicht. Die Oberlippe schien mitzulächeln, Herr Adán war ganz schwarzer Schnurrbart und weiße Zähne. Ich fragte mich wieder, woher er wohl kam. Sein Akzent klang nicht türkisch. Wenn ich allein wäre, würde ich mich vielleicht trauen zu fragen, aber in Wiebkes Gegenwart fürchtete ich, etwas Dummes zu sagen. Etwas, das sie zu langen belehrenden Litaneien über dieses oder jenes Land anregen könnte. Nur Länder, über die Wiebke wenig wusste, interessierten mich. Da hatte ich eine klare Linie.
    Vor Aldi trafen wir Anna, Fionas Mutter. Wiebke und Anna redeten eine Ewigkeit über die Zukunft einer struppigen Hundewiese, einer Art zweitem Rattenloch in unserer Nähe, aber ohne wilden Trödel. Es gab Pläne, auf die »grüne Oase« (Wiebke) ein Hochhaus zu setzen. Anna und Wiebke waren entsetzt darüber und unterstützen eine Bürgerinitiative zur »Rettung der Hundewiese«. Klaus, der Verräter, war für den Neubau; er fand, dass eine Großstadt wie eine Großstadt und nicht wie ein vernachlässigter Schrebergarten aussehen solle. Dumm nur, dass die Fronten damit quer durch unsere Familie verliefen.
    Bei Aldi kauften wir Unmengen an Orangensaft-Tetra-Paks. Mir graute schon vor dem Gedanken, die schweren Einkaufstaschen mehrere Stockwerke hoch in in den vierten Stock schleppen zu müssen. Und der Weg durch unsere Wohnung bis zu unserer Küche war noch mal fast so weit wie der vom Erdgeschoss in unsere Etage.
    Zu Aldi war ich nur deshalb ohne Widerstand mitmarschiert, weil ich hier in einem von zehn Fällen den Hauser traf. Da hinten sah ich tatsächlich seine Mähne über der Weinflaschenreihe. Als wir in Richtung Getränkeregal gingen, nickte Wiebke dem Hauser zu, der »Juten Morgen!« sagte, ohne aufzuschauen. Das sagte er immer, egal zu welcher Tageszeit. Mich beachtete er überhaupt nicht. Warum sollte er auch. Ein vierzehnjähriges Mädchen mit rot umrandeter Nickelbrille, das aussah wie elf. Ich legte unsere Artikel sehr langsam aufs Band, um den Hauser noch einmal anzuschauen: Er kniete sich gerade zu den Chipsletten. Viel mehr als seine langen Locken und die rote Lederjacke mit der schwarzen Faust hinten drauf sah man nicht. Jetzt trat ein Rocker mit hüftlanger blonder Mähne in

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