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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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deutlich die Stelle, wo der Hauser am Abend zuvor im Gras gelegen hatte. Genau da legte ich mich hin. Der Boden war kalt, aber ich nahm die Kälte kaum wahr, ich schmiegte mich in die Kuhle, die vom Hauserkörper stammte, und schloss die Augen. Als ich aufwachte, wurde mir klar, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben tagsüber hatte einnicken können.
    Tags darauf hatte ich vor der Schule noch Zeit, in die Apotheke zu gehen, um Traubenzuckerbonbons zu kaufen. Herr Adán schenkte mir sein schwermütiges, aber auch selbstironisches Lächeln und gab mir eine zweite Rolle umsonst mit. Sein Hemd war blütenweiß, er trug Manschettenknöpfe. Sein dunkles Haar hatte er heute gegelt und nach hinten gekämmt. Er schien Wert auf sein Äußeres zu legen. Der Hauser war dagegen ein Schwein. Immer, wenn ich Herrn Adán gegenüberstand, verschwand der Hauser vor meinem inneren Auge. Als lebte Herr Adán auf einer anderen Realitätsebene als der Hauser.
    Nach der sechsten Stunde wurde Isa von ihrem Papa abgeholt, und Fiona ging in einen Kurs, in dem man lernte, Schmuck herzustellen. Ich fuhr allein mit dem Bus nach Hause.
    Aus der Peepshow kamen heute so viele Männer auf einmal, dass man hätte denken können, Berlin sei eine Stadt ohne Frauen. Mann, müssen die am Wochenende auf dem Schlauch gestanden haben. Wie lange ein Mann wohl an so ein Peepshowerlebnis dachte? Hatte der da vor der Polizeikanzel es schon vergessen? Oder der da, der sich gerade vor Chapeau! bückte, um seinen Schnürsenkel zuzubinden, dachte der noch daran? Oder der, der sich gerade eine Minipizza holte? Oder der, der da mit einer Plastiktüte in der Hand zu Domingo lie f … das gab es ja nicht, das war wieder Klaus! Aber war er aus der Peepshow gekommen? Ich konnte es nicht mehr rekonstruieren, so viele Männer waren eben aus dem klebrigen Flattervorhang auf die vernieselte Straße getreten.
    In diesem Moment entdeckte ich den Hauser. Wenn ich gemeint hatte, dass es ihm peinlich wäre, von mir gesehen zu werden, hatte ich mich getäuscht. Sein Blick war nicht stumpf-zufrieden wie bei den meisten Männern, die aus der Peepshow kamen, sondern forsch, so als hätte er sich gerade einen kleinen Vorgeschmack auf das gegönnt, was ihn jetzt erwartet. Er wich meinem fragenden Blick nicht aus, sondern sah mich provozierend an. Als er an mir vorbeiging, drei Köpfe größer als ich, sah ich Spott in seinen Augen.
    Über ihn hatte ich meinen Vater vergessen. Ich folgte dem Hauser zu Musik Riedel , wo er sich Schlagzeuge anschaute, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen, und wo ich mir das Beatles Songbook 2 kaufte.
    Ich lief am Mottenmuseum vorbei zurück nach Hause. Das heißt, ich machte einen Umweg übers Rattenloch. Jemand hatte dort ein altes Moped entsorgt; einige alte Schallplatten lagen verstreut herum. Ich trat näher. Juan Namuncura & Luisa Calcumi l – Musik der Mapuche-Indianer und Pu Kutre Ñuque Rock-Mapuche . Ich war begeister t – die Mapuche lebten in Patagonien! Das Rattenloch war eine Fundgrube!
    Als ich ins Berliner Zimmer kam, stieß ich auf einen leichenblassen Klaus. Er saß zusammengesunken in seinem Lieblingssessel vor einem Haufen zerwühlter Zeitungen. Es sah fast so aus wie bei Erwin und Karl. Diesen Eindruck unterstrich natürlich auch sein schicker schwarzer Rollkragenpullove r – den Vorgänger davon trug Erwin seit zwei Wochen, wie mir schien, ununterbrochen.
    »Klaus, was ist mit dir?«
    »Romy Schneider ist gestorben.«
    »Das ist ja fürchterlich!«, rief ich sofort. Dann hielt ich inne: Fing ich auch schon so an? Hatte ich denn je bewusst einen Romy-Schneider-Film gesehen? »Ah a – was’n mit der passiert? War die so alt, ja?«
    Klaus warf mir einen Blick zu, der sagen sollte: Rede nicht so. Nicht über jemanden wie Romy Schneider.
    Es war fast nur ein Flüstern, als Klaus hervorbrachte: »Sie war erst dreiundvierzig.«
    »Beinahe so alt wie du.«
    Klaus schien verstimmt. »Was hat das damit zu tun?«
    Aber ich sah an seinem Gesicht, dass ich den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Er dachte über sich und sein Leben nach.
    Ich vertiefte mich in den Zeitungsberg und las über die näheren Umstände von Romy Schneiders Tod. Selbstmord, wurde vermutet. Oder eher Herzversagen? Medikamente? Mein Vater hatte an diesem Tag sechs verschiedene Zeitungen gekauft. In einem Berliner Boulevardblatt stand, Romy Schneider sei an einem »gebrochenen Herzen« gestorben.
    »Ich wusste gar nicht, dass du Romy Schneider verehrst. Hast

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