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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Laubenpieperkolonie, sondern bei uns auf dem Dach. Dort hatten wir eine Hanfplantage.
    Klaus und Wiebke hatten Falk erlaubt, einen kleinen Abschnitt der allgemeinen Haus-Hanfplantage auf dem Dach für sich zu nutzen. Freunden gegenüber sagten sie: »Wir können es ja doch nicht verhindern, dass er das Zeug raucht, auch wenn wir ihn zu jung dafür finde n – aber so weiß man wenigstens, woran man ist!« Das war eine schöne Umschreibung dafür, dass sie, das heißt wenigstens Wiebke, sich ebenfalls dort bedienten.
    Hinzu kam, dass Falk es fertigbrachte, sich auf seine Klausuren bekifft und bei lauter Musik vorzubereite n – er hatte stets einen Notendurchschnitt um die 1,5. Beneidenswert.
    Ich beteiligte mich auch in diesem Jahr nicht an der allgemein ausgebrochenen Gärtnerwut. Schließlich war das Dachgärtchen, wie Falk liebevoll zu sagen pflegte, sein Revier. Falk kiffte nicht einfach, er machte eine Philosophie darau s – so wie er eine Kleine Philosophie des Rauchens verfasste, würde er sicherlich noch ein Traktat Über Wesen und Wirkung der Hanfpflanze schreiben. Ich wollte mich da nicht einmischen. Schließlich betrat er umgekehrt auch nicht patagonisches Terrain.
    Wenn Falk aus der Schule kam, setzte er sich gern mit Wiebke, mit der er sich auf dem Gebiet gut verstand, ins Dachgärtchen. Wenn Wiebke etwas geraucht hatte, wurde sie still, was der Grund dafür sein mochte, warum Falk diesem Zusammensein gegenüber aufgeschlossen war. Dazu gesellten sich oft noch der Kanz, der Grottenolk, der Hauser, Anna und wechselnde sie begleitende Männer, Filizes und Serifes Eltern und andere Leute. Und jeder hatte seinen Anteil am Dachgärtchen.
    Manchmal kamen auch Frau Koderitz und die Pechs mit ihren jeweiligen Hunden aufs Dach. Frau Koderitz zog sich bis auf BH und Unterhose aus, auch wenn es noch nicht warm war, und legte sich auf eine dreckige Plastikliege. »Da will ick druff sterben. Bessa als in ’ne Madenkiste.« Dort harrte sie stundenlang aus und trank Schnaps, während Fred auf dem Dach herumstreifte. Von unserem Dach aus konnte man zu beiden Seiten auf die angrenzenden Dächer gelangen, so dass Fred oft länger verschwunden blieb. Mehrfach war ich über die Dächer gelaufen, um Fred zu finden; diese Spaziergänge, besonders bei Sonnenuntergang, gefielen mir gut, so dass ich mich freute, wenn Fred ausgebüchst war. Pechs hatten einen kleinen Kräutergarten direkt neben Hausers Teil der Plantage angelegt. Nach ihrer ersten Frankreichreise im letzten Jahr nannten sie ihren Kräutergarten »unseren Jardinjarten«. Von diesem Begriff waren sie nicht mehr abzubringen.
    Die Familie von Serife und Filiz grillte gern. Der Hauser verstand sich prächtig mit Herrn Söylesin und fachsimpelte mit ihm über die Kunst des Grillens. Herr Söylesin sprach ein mäßiges Deutsch, aber, wie Wiebke meinte, »das Sprachniveau vom Hauser dürfte niedriger sein«. Die Einzigen, die dem Dach meist fernblieben, waren Klaus und Herr Wiedemann. Klaus fürchtete sich vor Gesprächen über Kunst mit Kanz oder Olk, und Herr Wiedemann hatte einmal gesagt, er würde es weder mit dem Hauser noch mit der Koderitz länger als fünf Minuten an einem Ort aushalten. Vor langer Zeit soll der Hauser einmal Herrn Wiedemann entgegengetorkelt sein, in dessen kleines Bäuchlein gepiekt und gesagt haben: »Ooch so’n Bierchenfriedhof.« Das war der Auftakt einer wenig herzlichen Nachbarschaft. Dennoch hatte ich mich geärgert, dass Herr Wiedemann die beide n – den Hauser und die Koderit z – in einem Atemzug nannte. Der Eine war schließlich ein weitgereister, freakiger Typ, die andere eine Heino-hörende Säuferin. Aber Herr Wiedemann war eh merkwürdig.
    Der nächste Schultag begann mit Geschichtsunterricht. Ich überlegte, ob ich unseren Herrn Kurzke fragen sollte, ob wir nicht mal über die Azteken und die Mayas sprechen könnten. Als ich ihn schließlich in der Pause darauf ansprach, wurde er ungehalten: »Die Rahmenpläne bestimme immer noch ich!«
    Wir hatten gerade eine Doppelstunde lang das Thema Dreifelderwirtschaft über uns ergehen gelassen. Ich wusste nicht einmal genau, wie der Ackerbau heute funktionierte, dafür aber im Detail, wie man ihn im Mittelalter betrieben hatte. Herr Kurzke hatte es geschafft, interessierte Schüler in eine dauerdösende Meute zu verwandeln. Wir lebten mitten im Kalten Krieg zwischen zwei Weltmächten und beschäftigten uns Woche für Woche mit Wintergetreide, Sommersaat und Brachen.
    In der dritten

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