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Hausers Zimmer - Roman

Hausers Zimmer - Roman

Titel: Hausers Zimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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Nase war riesig und gebogen, eine wunderschöne Nase, wie ein Pirat, ein Südseepirat, dachte ich, und sein Mund, diese festen, leicht nach unten gezogenen Lippen, der kräftige Hal s … Ich starrte den Mann an, mir fielen die Schlüssel aus der Hand. Der Hauser hob fragend eine Augenbraue, dann ging er schweren Schrittes an mir vorbei. Ich rührte mich nicht, bis unten die Tür ins Schloss fiel. Schließlich hob ich meinen Schlüsselbund auf, ging langsam in den Hof. Warum konnte ich nicht einmal etwas Lustiges sagen oder wenigstens freundlich gucke n … so wie Melanie all die Jungs aus der Oberstufe mit in den Nacken geworfenen Haaren anguckte? Was der von mir denken musst e … Selbst der Hauser würde wahrscheinlich noch die blöde, tussige Melanie mir vorziehen. Ich ging hinter die Mülltonnen, ließ mich ins kunstfreie Gras fallen und heulte. Irgendwann hörte ich auf, blieb aber noch weiter hinter den Mülltonnen liegen. Niemand kam vorbei. Aus anderen fernen Höfen, aus zweiten und dritten Hinterhöfen meinte ich ein leises Scheppern zu hören, das anschwoll in meinen Ohren: herumgekickte Cola-Dosen. Danach Stille. Dann hörte ich leise: Völlig losgelöst von der Erde schwebt das Raumschif f …
    Oben in der Wohnung schickte Wiebke mich mit zwei Pullovern von Klaus, zwei Packungen Toastbrot, einem Marmeladenglas von Oma Helene, das Wiebke nicht einmal angerührt hatte, und einem Tetra-Pak Orangensaft zu Erwin und Karl. »Und bring mir doch bitte auf dem Rückweg ein paar Ohropax aus der Apotheke mit. Dein Vater hat angefangen zu schnarchen.«
    Schon vertiefte sich Wiebke wieder in ihre Übersetzung. Jahrzehnte später würde ich staunen, wie viel Zeit manche Eltern für ihre Kinder aufbrachten, auch die Väter. Von meinen Eltern und denen meiner Freundinnen kann ich, von Ausnahmen abgesehen, nicht sagen, dass wir Kinder die Könige in ihrem Leben waren. Die Könige, wenngleich ständig von Selbstzweifeln geplagt, waren sie selber. Wir Kinder gehörten irgendwie so dazu. Nicht, dass wir unseren Eltern nicht wichtig gewesen wären, aber Wiebke zum Beispiel dachte jetzt gar nicht daran, ihre Übersetzung zu unterbrechen, um mit mir gemeinsam zum Parkplatz zu gehen oder den Gang selber zu machen.
    Ich machte mich also allein zum Pennerquartier auf. Diesmal war nur Erwin da. Er las mit gerunzelter Stirn Zeitung. Als ich mich ihm im sicheren Abstand näherte, sagte er zu sich selbst: »Die hamse doch nich mehr alle.« Dann legte er die Zeitung weg, um mir seine volle Aufmerksamkeit zu widmen. »Na, Kleene.«
    Ich nickte und schaute auf meine Turnschuhkappen.
    »Oooch, so schüchtern. Dabei hat se uns wieda so viele jute Sachen mitjebracht. Lass ma’ kieken.«
    Ich öffnete meinen Rucksack, holte die Lebensmittel und die beiden Pullover heraus. Als ich sie hochhielt, meinte ich fast noch, Klaus’ Figur in ihnen erahnen zu können, die Pullis sahen ihm ähnlich.
    »Hab ick’n Jlück, dat ick jenauso spacke bin wie deen Vata. Karl passen die Sachen nämlich nich, da hab ick echt Jlück jehabt!«
    Er probierte gleich einen der Pullover aus, und ich begann mich an Erwin in dem bordeauxfarbenen V-Ausschnittpullover aus der Bleibtreustraße zu gewöhnen. Der Pullover war an den Ellenbogen ein wenig dünn geworden, das hatte Klaus gestört.
    »Un d – sonste so? Schule?«, fragte Erwin mich, der offenbar heute noch nicht viel Kontakt gehabt hatte und ein bisschen plaudern wollte.
    »Ä h … ja. Ic h … ich denke s o … über ganz viele Dinge nach«, brach es aus mir hervor. »Also, ich frage mich, was ich davon halten soll, jetzt so mit den NATO -Doppelbeschlüssen und der ganzen Nachrüstung. Ich weiß nicht, ob ich da Angst haben soll. Und es gab ein Erdbeben in Südamerika und einen Mord in Zehlendorf«, ich merkte plötzlich, wie durcheinander ich war. »Und Europa ist genau zwischen alldem«, schloss ich, um der Konfusion noch ein i-Tüpfelchen aufzusetzen.
    Erwin lächelte mich an. »Jenau, du hastes afasst. Und jenau deshalb hab ick zumindest keene Angst mehr. Weil: Du und icke, wir können das nich bestümmen. Wenn die Bomben hageln, dann isses ooch ejal, wo de bist uff de Welt. Dann is nämlich allet vaseucht und vastrahlt. Und weeßte wat? Dat trifft dann alle jleich: Reiche und Aame und Leute mit schicke Villen und andere Leute, die’s nich so haben, weeßt e … Und weil dit wat is, wat dann alle abkriejen, werden die mit die Villen schon dafür sorgen, dat wa ooch nix abkriejen. Deshalb hab ick

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