Haushaltsschnecken leben länger
einen Nerz!« ruft sie. Es klingt wie eine Drohung.
PS: In obig - als Beispiel - zitierter Familie findet so ein Gespräch jährlich einmal statt. Am Tage danach gibt es dann Einbrennsuppe. Und am nächsten Tag ist alles wieder beim alten und kein Nerz in Sicht.
Wohlstand kann nämlich Zwangscharakter annehmen.
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Zwiegespräch mit einem Kuchen
Daß man mit Menschen vernünftig reden und sie
gesprächsweise friedlich stimmen kann, weiß jeder. Daß man auch Tieren gut zureden kann, ist auch bekannt. In letzter Zeit ist es auch schon beliebt, mit Pflanze n zu reden, ihnen zu schmeicheln, sie zu loben und dadurch zu üppigem Wachstum zu verleiten.
Ich halte das für möglich! Ich halte das sogar so sehr für möglich, daß ich dazu übergehen werde, mit meinen Kuchen zu reden! Die haben eine Ansprache nämlich noch nötiger als meine Zimmerpflanzen.
Die Sache ist die: Ich habe da ein Tortenrezept. Als »Linseders Nußtorte« ist sie im Kochbuch ausgewiesen. 8 Eier, 11 dag Nüsse, 15 dag Zucker und 5 dag Brösel braucht man für die Köstlichkeit, und die Zubereitung des Teiges ist einfach.
Blitzschnell geht das.
Im Backofen benimmt sich Linseders Nußtorte auch recht manierlich, geht artig hoch, bräunt sanft und läßt bei der Nadelprobe keinerlei Rückstände auf der Stricknadel zurück.
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Aus dem Rohr geholt, klebt sie auch nicht an der Backform, sondern läßt sich mühelos stürzen. Aber von diesem Augenblick an verhält sie sich sehr unterschiedlich! Einmal verbleibt sie in ihrer schönen, zylindrischen Form, ein anderes Mal senkt sie sich trichterförmig, und zwar so heftig, daß sie in der Mitte nur mehr zwei Zentimeter hoch ist.
Letzteres tut sie immer dann, wenn sie für einen speziellen Anlaß bestimmt ist, wenn Gäste kommen, Geburtstag gefeiert werden soll oder sonst irgendeine höhere Festivität angesagt ist.
Backe ich sie aber bloß aus Jux und Tollerei, etwa weil mir meine Schwester gerade Nüsse geschenkt hat, denkt sie gar nicht ans Einsinken. So schön wie aus dem Rohr geholt, erkaltet sie auch, bleibt flaumig und zart.
Ich habe nicht die geringste Ahnung, warum sie derart infam reagiert. Aber ich werde sie redend überlisten.
»Du«, werde ich zu ihr beim nächsten Mal sagen, »wir feiern heute gar nichts! Wir haben keinen Anlaß für dich! Fall ruhig in dich zusammen! Damit machst du mir keinen Kummer! Und die Leute, die heute zu uns kommen, die sind ganz versessen auf speckige Torten! Die lieben das sehr!«
Ich bin überzeugt, sie wird reagieren wie gewünscht. Aber irgendwie ist es mir peinlich, mit jemandem ein Gespräch anzufangen, den ich kurz vorher mit einer Stricknadel komplett durchbohrt habe. Ob man sich da zu Gesprächsbeginn zuerst einmal entschuldigen muß?
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Gute Tips gegen die Tücken von Torten
Vor etlicher Zeit erzählte ich an dieser Stelle von meinen Schwierigkeiten mit »Linseders Nußtorte«, die sich dann äußern, daß mir diese erlesene Mehlspeise nicht immer prächtig gelingt, sondern manchmal aus unerfindlichen Gründen und gerade immer dann, wenn sie für einen festlichen Anlaß herhalten soll, beim Auskühlen trichterförmig einsinkt.
Lieb und hilfreich, wie meine wohlwollenden Leserinnen nun einmal sind, bekam ich viel brieflichen Rat. Ich danke recht schön und sehr verwirrt!
Schreibt mir nämlich Frau A. aus B.: »Sie dürfen den Rand der Tortenform nicht einfetten!«, schreibt mir Frau C. aus D.: »Sie werden den in vielen Kochbüchern angegebenen, aber sehr dummen Rat befolgt haben, den Rand der Tortenform nicht zu fetten! Das ist Humbug! Fetten und bröseln Sie ihn ordentlich aus! Nur so geht es!«
Schreibt mir Frau E. aus F.: »Stürzen Sie die Torte sofort auf ein Backgitter«, schreibt mir Frau G. aus H.: »Lassen Sie die Torte in der Form erkalten, dann sinkt sie nicht ein!« Schreibt mir Frau I. aus J.: »Nehmen Sie ein Ei mehr als angegeben, der Schnee hält sie hoch!«, schreibt mir Frau K. aus L.: »Da Sie die Torte wahrscheinlich nach einem alten Rezept zubereiten, müssen Sie ein Ei weniger nehmen, weil man früher kleinere Eier verwendet hat!«
Schreibt mir Frau M. aus N.: »Die Backzeiten sind in den Kochbüchern für heutige Herde viel zu lang angegeben. Machen Sie schon in der Halbzeit die Nadelprobe!«, schreibt mir Frau O.
aus R: »Langsam backen ist das ganze Geheimnis! Bei 160 Grad eine geschlagene Stunde!«
Soll ich nun fetten und stürzen und ein Ei mehr nehmen oder länger backen?
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Oder soll ich nicht
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