Hausmaestro - Kriminalroman
der zehnten Reihe aufgebaut war, und plauderte mit seiner Assistentin. Die leere Flasche lag umgeworfen zu seinen Füßen.
»Grüß Gott, Herr Höllwarth«, begrüßte ihn Vogel höflich, »hätten Sie jetzt vielleicht ein wenig Zeit für mich?«
Der Regisseur musterte den Inspektor und schien irritiert. »Ah, der Herr Kommissar. Entschuldigen Sie, aber waren Sie das, gestern Abend bei mir in der Wohnung?«
»Nein, das war mein Kollege, der mich allerdings über den Inhalt ihres Gesprächs in Kenntnis gesetzt hat. Mein Name ist Vogel. Inspektor Walz ist leider verhindert, lässt Sie aber herzlich grüßen.«
»Ah, Kommissar Vogel. Na gut«, sagte er grunzend, »also, was wollen Sie von mir wissen?«
»Sie erzählten meinem Kollegen, dass Herr Maurer mit Ihnen gesprochen hat. Ich würde von Ihnen nur gerne wissen, wann das war.«
»Warten Sie, heute haben wir Freitag, ja, das muss am Dienstag gewesen sein«, sagte er und flüsterte seiner Assistentin etwas ins Ohr, worauf diese sofort verschwand.
»Also am Tag seines Todes«, antwortete Vogel scheinbar nachdenklich. »Erinnern Sie sich vielleicht noch, um wieviel Uhr das gewesen ist?«
»Auf jeden Fall nach der Vormittagsprobe. Da ist er dann plötzlich vor mir aufgetaucht und hat mir irgendwelche Frechheiten ins Gesicht gesagt. Und dann ist er wieder gegangen. Es war also kein Gespräch im herkömmlichen Sinne, sondern eher ein Monolog oder, noch besser, eine Beschimpfung. Allerdings ohne die Stimme dem Inhalt des Gesagten anzupassen, also doch ein Monolog, ein bösartiger Monolog.«
Höllwarth nickte mehrmals zufrieden mit dem Kopf, offensichtlich glücklich darüber, die zutreffende Bezeichnung gefunden zu haben.
»Und wo hat dieser ›Monolog‹ stattgefunden?«
»Na, genau hier. Ich bin mit meiner Assistentin an diesem Platz gesessen und habe gearbeitet, da stand er plötzlich vor mir.«
»Das heißt, Ihre Assistentin war Zeuge von Maurers Aussagen?«
»Nein, nicht wirklich. Ich hatte sie gerade rausgeschickt, um mir etwas zu holen. Scheinbar hat er diesen Moment abgewartet.«
»Also fand das Ganze kurz nach der Probe statt«, konstatierte Vogel sachlich und musterte sein Gegenüber eingehend. »Warum eigentlich haben Sie sich gegen diese Anwürfe nicht zur Wehr gesetzt?«
»Ich war völlig überrascht. Nicht nur vom Inhalt des Gesagten, sondern vor allem vom Tonfall, in dem er es vorbrachte. Sagt dir die schrecklichsten Dinge ins Gesicht, und das in einem Konversationston, als ob er mit dir übers Wetter reden würde. Das habe ich noch bei keinem Menschen erlebt. Bemerkenswert war das in jedem Fall. Eine echte dramatische Begabung, dieser Maurer. Wenn es auch eine ausgesprochene Frechheit war.«
Inzwischen kehrte die Assistentin mit einem großen Glas Weißwein zurück, das sie vorsichtig durch die enge Stuhlreihe balancierte.
Rasch lenkte Vogel, dem die Situation ausgesprochen unangenehm war, das Gespräch dem Ende zu. »Noch die Routinefrage, Herr Höllwarth, die wir jedem stellen müssen. Wo waren Sie in der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch zwischen 23 und ein Uhr?«
Nachdem er einen tiefen Schluck genommen hatte, musterte ihn der Regisseur von oben bis unten. »Wo ich war? Keine Ahnung … Oder weißt du, wo ich mich vor vier Tagen mitten in der Nacht herumgetrieben habe?«, wandte er sich an seine Assistentin, die verlegen lächelte. »War ich da bei dir?«
»Nun?«, fragte Vogel das Mädchen, nachdem diese sich nicht eindeutig geäußert hatte und unbehaglich auf den Boden starrte.
»Ja, in dieser Nacht war Herr Höllwarth bei mir«, sagte sie leise, wobei ihr Gesicht eine leichte Röte annahm.
Während Vogel also gerade mit den intimsten Geständnissen einer vielleicht gerade einmal 20-jährigen und außerordentlich zerbrechlich wirkenden Blondine konfrontiert wurde, saß Walz im Dirigentenzimmer und plauderte angeregt mit Samuel Berner.
»Kannten Sie Magnus Maurer persönlich?«, wollte der Inspektor wissen.
»Wir sind uns einige Male begegnet«, antwortete der überaus jugendlich wirkende Dirigent sachlich, »da haben wir uns begrüßt und einige der üblichen Floskeln ausgetauscht. Darüber hinaus pflegten wir keinen Kontakt.«
»Ist das nicht unüblich zwischen zwei fast gleichaltrigen Kollegen, die doch der verschwindend kleinen Elite der Spitzendirigenten angehören?«
Berner legte die Fingerspitzen seiner beiden Hände gegeneinander, bevor er ruhig entgegnete. »Das ist schon richtig, wir sind nur wenige, aber deshalb
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