Hausverbot
so schnell wir nur konnten um die Ecke. Wir kannten uns in der Gegend aus. Wir kletterten über den Zaun zu einem Sportplatz. Wir flitzten auf die andere Seite, wo sich eine belebte Straße mit vielen Mietshäusern befand. Als wir bereits den Zaun auf der anderen Seite hochkletterten, sahen wir die Typen die Mitte des Sportplatzes passieren. Wir mussten nur noch den Zaun runterklettern, schon hatten wir wieder Boden unter den Füßen. Wir liefen bis zum Eingang des dritten Mietshauses, rannten die Treppe hoch in den vierten Stock, setzten uns hin und atmeten ganz langsam.
Dorota starrte mich die ganze Zeit an. Sie erwartete von mir eine Reaktion. Während ich überall Ausschau nach Andi hielt, sagte ich flüchtig: Ich heiße Lola. Was machst du eigentlich hier? Dorota plapperte los, als hätte ich auf einen Knopf gedrückt: Ich bin Leons Tochter. Wir leben aber nicht zusammen. Ich wohne bei meiner Mutter. Sie hat sich von Leon getrennt, weil Leon schwul ist. Ich hätte mich auch gewundert, wenn Leon eine Hete wäre. Das Mädchen begann mich zu interessieren: Ist deine Mutter auch hier? Dorota redete schnell: Nein, und sie weiß auch nicht, dass ich hier bin. Sie denkt, ich sei mit den Pfadfindern unterwegs. Huch. Das kam mir bekannt vor. Ich hatte meine Eltern auch immer angelogen, wenn ich in die Disco ging. Ich sagte ihnen ebenfalls, dass ich mit den Pfadfindern woanders übernachtete. Ich fragte Dorota, wie alt sie sei. Und wie ich schon geahnt hatte, war Dorota zwölf. Lustig. Rührend. Reizend. Schön. Anna German sang pathetisch: Ich danke dir Mutter / Für die Sorge in deinen Augen / Für dein unendliches Lächeln / das den Schmerz und die Trauer verdeckte. Eine undefinierbare Gestalt bewegte sich in der Mitte des Saales vom ›Sfinks‹. Das konnte nur Leon sein. Ich wollte mir das Spektakel aus der Nähe anschauen. Ich sagte zu Dorota: Lass uns nach vorne gehen. Sie kam mit. Wir stellten uns ganz vorne hin. Ich staunte. Endlich konnte ich sehen, was da mit Leon und auch mit Andi los war. Leon drückte seinen Kopf an den von Andi. Die beiden trugen jeweils einen roten Rollkragenpullover und eine rote Feinstrumpfhose. Über der Strumpfhose hatten sie je einen weißen Slip mit Rüschen an. Ihre Köpfe waren mit einer weißen Bandage aneinandergebunden. Offensichtlich stellten Leon und Andi ein Paar siamesische Zwillinge dar, die an den Köpfen zusammengewachsen waren. Süß. Durch meinen Bauch strömte das allbekannte Gefühl. Es war auch langsam an der Zeit. Ich brauchte es auch endlich mal wieder. Ich wartete schon lange darauf. Ich war froh, dass es noch einmal klappte. Ich fand den Blick von Andi. Ich schaute ihm tief in die Augen. Ich prüfte, ob ich mich nicht täuschte. Ich gestand es mir allmählich ein. Ich hatte mich in Andi verliebt.
VI
Ich ging mit Andrzej auf die Bude. Er wohnte wie damals bei seiner Mutter. Es war bereits fünf Uhr morgens, und wir wollten eigentlich nur schlafen. Dann hatten wir doch Sex. Andrzej saugte an meinen Nippeln. Sie wurden lang und steif wie zwei kleine Penisse. Meine Erregung wuchs. Andrzej befingerte mich. Ich wollte mehr. Letztlich rieb ich mich an seinem Knie und kam auch so. Kurz danach hatte ich einen asthmatischen Hustenanfall, der nicht zu stoppen war. Ich hustete und hustete, und Andrzej klopfte mir auf den Rücken. Seine Mutter bollerte an der Tür. Sie schrie: Raus mit der Nutte. Das ist hier kein Bordell. In aller Herrgottsfrühe liefen wir draußen in der Gegend rum und wollten was frühstücken. Alle Kawiarnias waren noch geschlossen. Wir steuerten die Milchbar am Bahnhof an, als die S-Bahn einen Schwall Arbeiter ausspuckte. Ein dummer Prolet rempelte Andrzej an. Sein Urinbeutel fiel auf die Straße und platzte. Die Menge blieb stehen und glotzte, während Andrzej die Urinbeutelreste aufsammelte. Ich sprang aufgeregt umher, hielt eine fiktive Kamera in den Händen, richtete sie auf Andrzej, klickte dauernd auf den Auslöser und rief begeistert: Schau zu mir, Schätzchen, das machst du sehr gut, ich finde dich toll, bleib so, guck mich an, schön, ich liebe dich, es reicht, ich habe genug, Session beendet. Andrzej hatte nun alles beisammen. Am Taxistand wartete ein freier Wagen. Was für ein Morgen. Wir stiegen ins Taxi. Wir fuhren zum Danziger Universitätskrankenhaus, in die Gdańska Akademia Medyczna.
Das Taxi setzte uns am Haupteingang ab. Ich klopfte am kleinen Fenster des Pförtnerhäuschens. Drinnen kauerte ganz hinten ein unscheinbarer Körper
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